Interview mit Sirka Laudon, Vorständin People Experience - AXA Konzern AG

15.06.2020 | Simone Pelzer

Quelle: Sirka Laudon

Im Interview spricht Frau Sirka Laudon, Vorständin People Experience beim AXA Konzern AG sowie Mitglied der HR Innovation Award Jury, über die aktuelle Situation in Hinblick auf das Coronavirus und die damit einhergehenden veränderten Anforderungen an das „Neue Arbeiten“ bei AXA.

1. Frau Laudon, wie gehen Sie mit der aktuellen Situation in Hinblick auf das Coronavirus und die damit einhergehenden veränderten Anforderungen an das „Neue Arbeiten“ um?

Erst einmal: wir konnten von jetzt auf gleich fast alle Mitarbeitenden ins Homeoffice schicken. AXA hat bereits vor 3 Jahren mit dem Umbau aller Standorte nach dem New-Work-Prinzip begonnen und dabei auch Desksharing eingeführt. Das Arbeiten aus dem Homeoffice war dadurch schon etabliert und eine gute technische Infrastruktur sowie die technische Ausrüstung bei den meisten Mitarbeitenden bereits vorhanden. Aufatmen.

Mit den strukturellen „Umbauten“ ist in gleichem Maße ein kultureller „Umbau“ einhergegangen: Wie führt man auf Distanz? Wie lassen sich kollaborative und digitale Arbeitsweisen etablieren? Wie stärkt man die Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit und etabliert eine Vertrauenskultur? Somit waren wir auf die neue Situation bestens vorbereitet. Wo nötig, konnten die Mitarbeitenden sich noch einen größeren Bildschirm ausleihen und somit startete auch bei AXA die Phase des Remote-Workings.

2. Die Teams bei AXA Deutschland arbeiten aktuell weitestgehend im Homeoffice. Wie sieht Ihre Remote Work Strategie aus? Gibt es Dinge, die Ihrer Meinung nach bei Remote Work elementar wichtig sind?

Remote Work ist eng verbunden mit New Work. Wir haben bei New Work immer einen Dreiklang im Blick, der zusammengehen muss – und das gilt zum Teil auch für Remote Work: Bricks, Bites, Behaviour. Was heißt das? Es muss die passende Infrastruktur und Struktur da sein. Es muss die passende IT-Umgebung vorhanden sein und darüber hinaus braucht es die viel diskutierte Kultur, die die ersten beiden Themen erst zum Fliegen bringen!

Im besten Fall erleben die Mitarbeitenden hier einen konsistenten Dreiklang. In allen drei Bereichen geht es um mehr Transparenz, Abbau von Silostrukturen und Aufbau von vernetztem cross-funktionalen Arbeiten. Sukzessive Prozesse werden durch parallele, kollaborative Prozesse abgelöst, Verantwortung wird geteilt und Führung erfolgt partnerschaftlich und auf Augenhöhe.

Wenn Teams also mehr Transparenz durch größere Arbeitsflächen haben und täglich durch den Wechsel des Schreibtisches unterschiedliche Perspektiven einnehmen, Sofalandschaften zum informellen Austausch einladen, dann findet sich das spiegelbildlich in einer Office365-Umgebung wieder, wo Nachrichten auch nicht in Mails versteckt sondern transparent im Newsfeed geteilt werden und man gemeinsam und gleichzeitig an Dokumenten arbeitet.

An das Thema „Führung“ ist die AXA in meinen Augen besonders radikal herangegangen: In der neuen Umgebung hat niemand mehr ein Einzelbüro und wir haben unternehmensweit eine „Duzkultur“. Wenn selbst wir Vorstände uns jeden Morgen − mit einer Plastikbox unter dem Arm geklemmt − einen neuen Schreibtisch suchen, bleiben wir einfach viel näher dran an den Themen im Unternehmen. Und durch das „Du“ wird der Weg untereinander deutlich verkürzt und man geht unkomplizierter und unbürokratischer miteinander um.

3. Inwiefern glauben Sie, ist es möglich die Unternehmenskultur im Homeoffice genauso weiter zu leben wie im Büro? Welche Erfahrungen machen Sie bei AXA Deutschland?

Es kostet größere Anstrengungen in einer solch kompletten Remote-Situation die Kultur in gleichem Maße zu erleben, spüren und aufrechtzuerhalten. AXA ist ein Unternehmen mit einer wahnsinnig hohen Loyalität der Menschen zum Unternehmen, zur Kultur, zu dem Miteinander der Kolleginnen und Kollegen. Wenn man sich jedoch über eine längere Zeit nicht begegnet, droht diese Verbundenheit etwas verloren zu gehen. Darüber hinaus sind kreative Methoden eingeschränkt, was die Innovationskultur erschweren kann. Andere Facetten der Unternehmenskultur wie Mut, Empowerment, Vertrauen haben dagegen in dieser Situation einen „Härtetest“ bestanden und wir gehen wahrscheinlich in diesen Dimensionen gestärkt aus der Krise hervor.

Auf jeden Fall haben wir schnell gelernt, alle unsere Formate in dieser Homeoffice-Situation mit „kulturstiftenden“ Facetten zu versehen und authentische Botschaften vom Top-Management in Form von Podcasts, virtuellen Townhalls, Broadcasts, digitalen After-Works zu leben. Wir haben auch die „Gespräche untereinander“ befeuert – z.B. mit einem regelmäßigen E-Mail-Newsletter „AXA to go“ der analog zu einer kurzen, informellen Begegnung in der Kaffeeküche den täglichen Smalltalk ersetzt: Mitarbeitende beschreiben hier verschiedene Facetten ihres Alltags und implizit werden dabei geschäftsrelevante Botschaften aus den verschiedenen Unternehmensressorts transportiert. Im Moment sieht es eher so aus, dass die Krise uns im Hinblick auf die Unternehmenskultur enger zusammenschweißt.

4. Haben Unternehmen in der aktuellen Zeit eine größere Corporate Social Responsibility?

Ja, ein interessantes Phänomen dieser Krise. Auch bei uns stieg das Bedürfnis der Mitarbeitenden, sich zu engagieren und etwas Sinnstiftendes einzubringen deutlich. Da wir einen auch vor der Krise schon gut funktionierenden Verein für soziales Engagement haben, „AXA von Herz zu Herz“, hat dieser sein großes Netzwerk von Partnereinrichtungen gefragt, womit wir am besten unterstützen können. So haben wir z.B. DVDs mit alten Filmen aus den 50er und 60er Jahren gespendet, die in Seniorenheimen die isolierten Bewohner mit schönen Erinnerungen aufmuntern sollen oder wir haben die AXA-Masken-Challenge gestartet und unsere Mitarbeitenden dazu aufgerufen, Community-Masken für unsere Partnerorganisationen zu nähen. Unser Küchenteam hat zudem die vollen Kühlhäuser geleert, aus den Lebensmitteln leckere Gerichte gezaubert und an eine Notschlafstelle der Caritas in Köln gespendet.

Für jemand Anderes etwas Gutes tun oder seine Dankbarkeit für das eigene Wohlergehen zeigen, sind starke Resilienz stärkende Faktoren und darauf kommt es in der Krise an!

5. Sie haben einen Blogartikel zu den fünf häufigsten Führungsfehlern in Zeiten einer Krise geschrieben. Was ist Ihnen persönlich als Führungskraft besonders wichtig, in einer solchen Situation? Welche Charaktereigenschaften sollte eine Führungskraft Ihrer Meinung nach in solch einer Zeit ausstrahlen?

In der Tat war es mir ein Bedürfnis, für mich selbst zu sortieren, was mir aktuell gerade begegnet ist (Link zum Blog). Das Wichtigste in dieser Zeit: Führungskräfte müssen sich gut „selbst führen“ und reflektieren, warum sie wie reagieren. Wenn jemand zum Beispiel ein sehr kontrollierter Mensch ist, der gern alles im Griff hat, wird er in einer solchen volatilen Krise mit einem absoluten Kontrollverlust konfrontiert, was zu teilweise irrationalem Verhalten führen kann und zu einem übermäßigen Bedürfnis nach Rückmeldung, Feedback, haltgebenden Leitplanken. Schnell ist da eine aufgebaute Vertrauenskultur in Gefahr.

Führungskräfte sollten vor allem jetzt Mitarbeitende empowern, klar kommunizieren und Zuversicht ausstrahlen. Natürlich kommt es jetzt auch auf gutes Management an: Wie kann ich mein Geschäftsmodell so verändern, dass es optimal auf die Krise oder das „new normal“ ausgerichtet ist und Ergebnisverluste mit den richtigen Maßnahmen schnell auffangen und abmildern.

6. Neue externe Faktoren wie bspw. die aktuelle Krise zwingen Unternehmen oftmals zu radikalen und vor allem kurzfristigen Veränderungen. Darauf ist die Mehrheit unvorbereitet. Was raten Sie Unternehmen, um eine schnelle Anpassung dennoch zu ermöglichen?

  • Investieren Sie in die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden.
  • Bauen Sie auf Technologien, die sich schnell anpassen.
  • Behalten Sie Trends im Blick, die Ihnen frühzeitig Veränderungen signalisieren.
  • Stärken Sie Ihre Kundenbeziehung, so dass diese auch in schwierigen Zeiten und unter veränderten Bedingungen zu Ihnen halten.
  • Bauen Sie eine starke Marke auf, so dass Mitarbeiter und Kunden sich mit dieser identifizieren.
  • Halten Sie Ihr Unternehmen finanziell „gesund“, so dass es robust genug für schlechte Zeiten ist.
  • Suchen Sie sich Kooperationspartner und Partner, die Sie stützen etc.

Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

7. Wir hoffen natürlich alle, dass wir schnellstmöglich wieder zur Normalität zurückkehren können. Wird es ein „zurück“ im engen Sinne geben? Hat Corona zu einer neuen Normalität geführt? Welche Aspekte werden auch nach Corona Bestand haben?

Ich hoffe, dass das „New normal“ sich vom „Old normal“ deutlich unterscheidet und es um Aspekte reicher ist, die wir alle in diesen Zeiten (hart) gelernt haben. Für AXA wünsche ich mir, dass wir im „New normal“ deutlich noch digitaler sind, einfachere Prozesse haben, unbürokratischer zusammenarbeiten, viel vernetzter untereinander sind, leichter Distanzen mit Technik überbrücken, wertschätzen, was wir in unseren großartigen Bürolandschaften und im kollegialen Miteinander für Werte und Möglichkeiten haben, mehr vertrauen und über mehr technologische Kompetenz im Alltag verfügen.

8. Unser Arbeitsminister Hubertus Heil plant aktuell das Recht auf Homeoffice gesetzlich zu verankern. Wie stehen Sie dazu?

Da braucht es leider noch etwas mehr als nur ein gesetzlich verankertes Recht. Vor allem eine gute Infrastruktur mit W-LAN-Bandbreiten, die leider in manchen Teilen Deutschlands immer noch zu wünschen übriglassen. Darüber hinaus ist nicht jede Tätigkeit gleichermaßen für das Homeoffice geeignet. Leider haben in dieser Krise viele Menschen spüren müssen, dass sie nicht einfach einen Laptop am Küchentisch zu Hause aufklappen können und weiter geht die Arbeit. Offen gestanden sind wir als Versicherungskonzern hier in einer „Luxusposition“. Dafür sind wir dankbar.