Frohes Schaffen: Warum wir unsere Antriebslosigkeit annehmen sollten

07.04.2021 | Gina Schöler

Frohes Schaffen: Warum wir unsere Antriebslosigkeit annehmen sollten
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Neulich saß ich am großen Fenster im Schaukelstuhl bei meinen Eltern im Haus und betrachtete den großen Mammutbaum im Garten. Der Kleine in der Kita, die Eltern unterwegs, und ich hier am Wippen – wohl wissend, dass unglaublich viel offene To Dos auf meiner Liste stehen: Artikel schreiben, Vorträge vorbereiten, an Meetings teilnehmen. Doch der Mammutbaum hat mich in seinen Bann gezogen. Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass diese mächtigen Bäume zur Nervenstärkung dienen und bei der Klärung des eigenen Biorhythmus helfen können. Jedenfalls kann ich für eine Zeit nicht anders als dieses mächtige Gewächs, seine starken Äste und die zierlichen Nadeln zu bestaunen.

Beim Zurücklehnen denke ich mir  „Eigentlich gibt es so viel zu tun, aber ich habe heute irgendwie eine “Langsam-bis-gar-nichts-Stimmung” und bin kurz davor Sachen von meiner To Do Liste zu streichen und Termine abzusagen.”

Trotz meines schlechten Gewissens, das sich sofort meldet, als ich nur daran denke, heute mal langsam beziehungsweise gar nichts zu machen, habe ich meiner Intuition nachgegeben, sozusagen auf meinen Biorythmus gehört, und den Tag komplett anders gestaltet, als ich ihn geplant hatte – und das tat mir richtig gut! Daher möchte ich euch gerne ans Herz legen, ab und an das Nichts- (oder Wenig-)tun zu zelebrieren. Es ist ungeheuer wichtig, dass wir auf unser Inneres hören und uns rausnehmen, wann immer wir es benötigen – auch, oder gerade, im Arbeitskontext.

 

Auf unseren Biorhythmus hören

Die Natur macht es uns vor: Bäume verlieren im Herbst ihre Blätter und bereiten sich so auf den Winter vor, die Jahreszeit, in der sie auf Sparmodus leben. Natürlich müssen und sollten wir nicht wie manche Pflanzen und Tiere Winterschlaf halten – aber uns der Natur vielleicht etwas abschauen und mit unserer Energie haushalten. Eben auch in den Sparmodus versetzen.

Gerade in der jetzigen Jahreszeit, wenn es draußen schmuddelig und kalt ist und die Sonne sich nur noch wenig blicken lässt, kommen wir häufig nicht in die Pushen. Wir haben keine Lust auf unsere Aufgaben und quälen uns durch so manchen Tag. Im Prinzip kämpfen wir so gegen unseren eigenen Biorhythmus an, der uns genau aufzeigen will, wann wir produktiv sind – und wann eben nicht. Wenn wir merken, dass wir an einem Tag gerädert sind, uns die Motivation einfach nicht packt und wir nur so vor uns hindümpeln – dann ist das sicher nicht der beste Tag dafür, große Projekte anzugehen. Dann lieber einen Schritt zurückgehen, langsam machen und dafür am nächsten Tag mit voller Energie an die Aufgaben ran.

Unser eigener Biorhythmus hat auch viel mit unserem Schlafverhalten zu tun. Natürlich gibt es Menschen, die produktiver am Morgen sind, also die Lerchen, und diejenigen, die abends noch einmal richtig Gas geben könne, die Eulen. Im Prinzip kennt jeder seine innere Uhr am besten und ich kann nur empfehlen, auf diese zu hören. Meine Morgende beginnen beispielsweise sehr intuitiv, ganz ohne Wecker. Ich habe das Gefühl, dass mein Körper genau weiß, wie viel Schlaf er benötigt und ich wach werde, sobald ich ausgeschlafen bin – außer natürlich mein Kleiner ist vor mir wach.

 

Einfach mal nichts tun

Als wir Kinder waren schien es so einfach mit dem einfach mal nichts tun. Wir waren mit dem einen Spiel fertig, wussten nichts mehr mit uns anzufangen und haben uns gelangweilt….und diese lange Weile auch ausgehalten. Heute wird an jeder Bushaltestelle, in jeder Supermarktkassenschlange das Handy gezückt. Wenn wir auf etwas (oder jemanden) warten, halten wir das rumsitzen- und stehen kaum aus, sondern schauen nach, was in der Online Welt abgeht.

Einfach mal nichts zu tun, sprich auch das Handy in der Tasche zu lassen und lediglich auf den Bus zu warten, erscheint uns als pure Zeitverschwendung, denn in dieser Phase leisten wir ja nichts, sind nicht produktiv. In einer Welt, die sich durch Produktivität, Leistung und dergleichen definiert, ein no-go - oder etwa nicht? Auch wenn es zunächst paradox erscheint: Nichtstun fördert tatsächlich die Produktivität. Es bringt uns auf neue Gedanken, schafft Raum für mehr Inspiration und lässt uns entspannen - eine willkommene und vor allem gesundheitsfördernde Abwechslung auf den Stress, den Druck, den wir oft erleben. Außerdem hilft uns das Nichtstun dabei, Erlebtes zu verarbeiten, wodurch wir wiederum besser schlafen. Ihr merkt also, einfach mal nichts tun bringt definitiv einige Vorteile mit sich – weswegen wir es öfter praktizieren sollen und zwar ganz ohne schlechtes Gewissen. Die Holländer haben sogar ein Wort dafür, nämlich Niksen. Also sich die Zeit dafür nehmen, nicht produktiv zu sein. Auch die Italiener haben ein schönes Sprichwort: Dolce far Niente, was soviel bedeutet wie “die Süße des Nichtstuns”. Lasst uns bei unseren Nachbarn etwas abschauen, das Nichtstun lernen, dabei die Gedanken schweifen lassen und uns entspannen. Insbesondere wenn wir viel zu tun haben, sollten wir öfter gar nichts tun. So wie bei dem Sprichwort: Hast du es eilig, dann gehe langsam (oder mache einen Umweg). Im Büro kann eine kurze Pause, bei der wir nicht auf unseren Bildschirm, sondern einfach aus dem Fenster schauen, wahre Wunder bewirken. Ein paar Minuten Auszeit und schon kann es gestärkt weitergehen.

 

Wie kann das Nichtstun im Alltag aussehen?

Beim Nichtstun müsst ihr das Wort natürlich nicht auf die Goldwaage legen und einfach nur still dasitzen – obwohl auch das sehr schön sein kann. Vielmehr geht es darum, etwas zu tun, das nicht im wahrsten Sinne produktiv ist, etwas, bei dem ihr nicht das Gefühl habt, etwas leisten zu müssen. Eine unzielgerichtete Aktivität sozusagen. Damit unser Tun im Dösen und Ausruhen versinkt. Klingt erst einmal befremdlich? Keine Angst! Nichtstun lässt sich ganz leicht in den (Arbeits-)Alltag integrieren - wie hektisch er auch sein mag.

Ein paar kleine Ideen möchte ich euch gerne mit auf den Weg geben.

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Antriebslos auf Arbeit?

Auch beim Arbeiten sind wir manchmal antriebslos. Wir fragen uns dann häufig, was nicht mit uns stimmt, warum wir nicht produktiv genug sind. Immerhin ist die Arbeitswelt geprägt von Effizienz und Ergebnissen und wer nicht liefert, der...Was eigentlich? Es ist völlig normal, dass wir nicht immer die gleiche Leistung erbringen können. Das wäre utopisch! Anstatt euch also zu fragen, warum ihr ab und an nicht Vollgas geben könnt, nehmt euch lieber einen Schritt zurück, macht einen verkürzten Arbeitstag draus, integriert Mikropausen und startet dafür am nächsten Tag wieder voll durch. Also lasst uns unsere Antriebslosigkeit annehmen, wenn sie da ist – zum Glück hält sie oft ja nicht lange.

Über die Autorin

Foto von Gina Schöler

Gina Schöler, Glücksministerin
Gina leitet die bundesweite Initiative „Ministerium für Glück und Wohlbefinden“ und ruft mit bunten Aktionen und Angeboten dazu auf, das Bruttonationalglück zu steigern. Ned babbeln, mache! Als waschechte Mann­heimerin und leidenschaftliche Weltverbesserin hat sie sich ihren Beruf erfunden: Glücksministerin. Aus dem Bereich Kommunikationsdesign kommend, macht Gina auf fröhliche und unkonventionelle Weise Wer­bung für Werte. Sie ist chronisch neugierig und immer auf der Suche nach spannenden Ideen und Mög­lich­keiten, wie sie Menschen für die wichtigen Themen wie Zufriedenheit, Positive Psychologie und Le­bens­gestaltung begeistern kann. Durch greifbare Ansätze, die sofort in den (Arbeits-)Alltag übertragbar sind, fasziniert sie tausende Menschen, Unternehmen und sogar Bundesministerien.

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