Wie wir Glück in unseren (Büro-)Alltag integrieren und was wir von anderen Kulturen lernen können – Interview mit Glücksministerin Gina Schöler | Teil 2

19.02.2020 | Gina Schöler

Source: Elmar Witt

Glücksministerin Gina Schöler hat sich das Thema Glück zur Lebensaufgabe gemacht. Im zweiten Teil des Interviews erzählt sie uns von den Plänen Ihres Ministeriums, was wir von anderen Ländern und Kulturen über das Glück lernen können und wie wir Glück in unserem beruflichen Alltag den nötigen Platz einräumen können.

Deutschland gehört laut Umfragen nicht gerade zu den glücklichsten Ländern der Welt. Was müsste sich in Deutschland ändern, damit wir mehr Glück und Wohlbefinden erfahren?

Ich muss hier mal eine Lanze brechen für Deutschland. Denn gemessen an dem Glücklichkeitsindex 2019 stehen wir gar nicht so schlecht da: Wir belegen immerhin Platz 17 von 156. Uns geht es also besser, als wir annehmen. Ich bin jedoch der Meinung, wir sollten dankbarer sein und realisieren, was schon alles da ist und was wir bereits erreicht haben. Ich plädiere in diesem Zusammenhang auch für mehr Kooperation und weniger Ellenbogen und Konkurrenz. Wir sollten mit mehr Gelassenheit und Ruhe an Dinge herangehen und einander helfen.

Sicherlich pflegen Sie mit Ihrem Ministerium auch internationale Kontakte: Von welchen Ländern kann Deutschland lernen und was machen diese Länder richtig?

Generell kann ich nur dazu raten, andere Kulturen anzuschauen und sich von ihnen inspirieren zulassen. Im Hinterkopf immer die Fragen: Welche Konsequenzen hat das und was trifft auf uns zu? Beispielsweise das Schulsystem in Skandinavien, es ist ein toller Vorreiter aber nicht 1:1 auf Deutschland übertragbar. Kulturelle Aspekte sollten daher auf jeden Fall berücksichtigt werden. Mein Rat: Scheuklappen absetzen, mutig und offen sein, ausprobieren.

Gibt es Bestrebungen, mit Ihren internationalen Amtskollegen eine globale „Glücksinitiative“ zu starten? Wie könnte so etwas aussehen?

Es kommt dabei auf die Ziele an. Kräfte zu bündeln, sich offen auszutauschen und gegenseitig zu inspirieren ist immer super vorteilhaft. Momentan ist nichts dergleichen geplant, Sie sprechen allerdings einen sehr interessanten Gedanken an. Gerade in Zeiten wie diesen wäre es notwendiger denn je, sich zu unterstützen.

"Die Frage nach der Zeit oder dem Geld stellt sich für mich im Zusammenhang mit dem Glück nicht. Glück sollte die Basis sein, ist das MUSS einer gesunden Arbeitswelt." - Glücksministerin Gina Schöler

Schauen wir auf die Arbeitswelt: Hier haben wir einerseits die Situation, dass wir in einigen Branchen einen akuten Fachkräftemangel haben und sich die Arbeit verdichtet, und zugleich haben einige Branchen wirtschaftliche Schwierigkeiten und bauen Arbeitsplätze ab. Ist da überhaupt Platz für Glück und Wohlbefinden?

 Die Frage nach der Zeit oder dem Geld stellt sich für mich im Zusammenhang mit dem Glück nicht. Denn Glück sollte die Basis sein, für alles weitere, ist das MUSS einer gesunden Arbeitswelt. 70% der Mitarbeiter machen nur Dienst nach Vorschrift, haben innerlich bereits gekündigt. Damit geht viel Potential verloren. Intrinsische Motivation, neue Ideen und Möglichkeiten, danach sucht die Wirtschaft ja! Es ist daher umso wichtiger, den Menschen hier in den Mittelpunkt zu stellen. Aktive Gestaltung, Selbstverantwortung, Neues entstehen lassen und Stärken ausleben – das alles ist meiner Meinung nach nicht möglich, wenn auf Glück keinen Wert gelegt wird.

Was können Arbeitgeber bzw. Führungskräfte für mehr Wohlbefinden auf der Arbeit tun?

Man sollte sich konkret dafür entscheiden, sich um das Wohlbefinden der Mitarbeiter kümmern zu wollen und in den Austausch gehen. Der Dialog mit den Mitarbeitern ist daher entscheidend. Ich ermutige dazu, aktiv nachzufragen, was die Mitarbeiter brauchen, damit es ihnen gut geht. Ich denke der Weg führt nicht an einem Kulturwandel, hin zu einem menschlichen, offenen und auch wertschätzenden Miteinander auf Augenhöhe, vorbei.

Wie kann ich mir als Arbeitnehmer kleine Glücksmomente auf der Arbeit schaffen?

Indem ich für mich selbst sorge und mich um andere kümmere. Wenn ich anderen eine Freude mache, springt der Funke zurück. Das kann ein nettes Wort sein, ein kleiner Mutmacher oder eine Tasse Tee. Es sind bereits kleine Dinge, die uns ein wenig aus der Routine rausreißen.

Hat Glück im Privatleben einen anderen Stellenwert als im Arbeitsleben?

Für mich gibt es nicht wirklich eine Work-Life-Balance. Denn wir haben nur ein Leben, in welchem wir viel Zeit auf der Arbeit verbringen. Dabei bleiben wir immer wir.Wir sind ein und derselbe Mensch. Es ist nicht gesund Bedürfnisse zu deckeln und eine Maske aufzusetzen. Betrachtet Euch daher als ganzheitlichen Menschen, ohne Euch zu verbiegen oder gar eine Rolle zu spielen.

 

Source: Elmar Witt

"Für mich gibt es nicht wirklich eine Work-Life-Balance. Denn wir haben nur ein Leben, in welchem wir viel Zeit auf der Arbeit verbringen. Dabei bleiben wir immer wir." - Glücksministerin Gina Schöler

 

Über Gina Schöler

Gina Schöler, Glücksministerin
Gina leitet die bundesweite Initiative „Ministerium für Glück und Wohlbefinden“ und ruft mit bunten Aktionen und Angeboten dazu auf, das Bruttonationalglück zu steigern. Mit bunten Aktionen und Angeboten wie Workshops und Vorträgen regt sie alltagsnah, auf Augenhöhe und mit viel Spaß zum Umdenken an: Wie wollen wir leben und arbeiten? Was macht uns dabei glücklich?

Zu den anderen Beiträgen der Kolumne

Zum ersten Teil des Interviews

Die Suche nach dem Glück