The Big Five – die fünf größten Herausforderungen in Sachen Gesunde Arbeit 2023

23.03.2023 | Bastian Schmidtbleicher, MOOVE GmbH

Illustration einer Person die durch ein Schlüsselloch geht
Quelle: AdobeStock

Nachgefragt bei Bastian Schmidtbleicher. Er ist Gründer und Geschäftsführer der MOOVE GmbH und seit langem Part der ZP Denkbar. Bastian brennt für die Welt der gesunden Arbeit. Er weiß, dass Gesundheit einen zentralen Bestandteil der Zukunft der Arbeit darstellt. Mit seinem Unternehmen MOOVE GmbH sorgt er täglich dafür, das eigene Arbeitsumfeld und das vieler anderer Betriebe gesünder zu machen.

Wir haben Bastian gefragt: Was sind aus Deiner Sicht die fünf größten Herausforderungen in Sachen Corporate Health im Jahr 2023?

Sustainability 

Das Thema Nachhaltigkeit geht nicht nur uns alle etwas an, es ist auch die größte Chance und die größte Herausforderung in den kommenden Jahren. Die Herausforderung beginnt bereits in der Begrifflichkeit. Während Nachhaltigkeit eher die Dauerhaftigkeit meint, ist mit  „Sustainability“ die Fähigkeit zu erhalten gemeint.

Im Moment habe ich das Gefühl, dass der Begriff Nachhaltigkeit in Deutschland sich endgültig der eigentlichen „Sustainability“ Begrifflichkeit deutlich annähern sollte und stetig in die Gesellschaft und in die Unternehmen Einzug erhalten muss. Leider ist es aktuell ein bisschen wie im Leben -  es ist kein Sprint, sondern ein Marathon und genau deswegen glaube ich, dass hastig erzeugte Nachhaltigkeitsprogramme oder öffentlich gelebtes #Socialwashing und #Greenwashing dazu führen kann, dass der Grundgedanke der Nachhaltigkeit verloren geht. Es geht hier um mehr als nur den einzelnen Gesundheitstag, die kleine Spende an Bedürftige oder die Nutzung von Ökopapier.

Unternehmen, die in Zukunft erfolgreich sein wollen, benötigen den kulturell implementierten Gedanken des „Sustainable Entrepreneurship“. Ein ganzheitliches und vor allem ergebnisorientiertes Denken im Unternehmensaufbau, den Leitgedanken und der Struktur führt dazu, dass die wichtigsten Handlungsfelder für Unternehmen erweitert werden. Zukünftig stehen vier gleichrangig zu behandelnde Perspektiven im Fokus für die nachhaltige Entwicklung eines Unternehmens. Ergänzt werden diese durch die jeweiligen dazugehörigen Wissensbereiche, in denen Kompetenzen zu erwerben und zu vermitteln sind.

  1. Profit
    Ökonomie
  2. People
    Soziologie 
  3. Planet
    Ökologie
  4. Product
    Technologie

Mindestens bei den Themen Planet und People werden eine Vielzahl an Unternehmen und auch unsere Gesellschaft lernen müssen umzudenken, denn entgegen der bisher gelebten Praxis sind dies keine unendlichen Ressourcen, dafür aber die eigentlichen Erfolgsvoraussetzungen für Unternehmen in der Zukunft. #GesundeArbeit kann und wird hier den Unterschied ausmachen! 

Gesunde Arbeit - Fokus auf das Wie? – nicht das Was und Warum 

Haben Sie sich schon einmal selber die Haare geschnitten? Oder versucht die Steuererklärung für Ihr Unternehmen selber zu machen? Sich eigenständig vor Gericht vertreten? Oder die Inneneinrichtung für Ihre Büro selber geschreinert? Nein? Warum versuchen dann so viele Unternehmen eigenständig das Thema Gesundheit & Arbeit beiläufig und nebenbei zu bearbeiten. Wobei – so viele ist eigentlich falsch, denn nach wie vor ist das Thema gesunde Arbeit in Deutschland massiv unterrepräsentiert. Der Grund dafür liegt nicht in der Dringlichkeit des Themas, denn die Krankenstände steigen an, Arbeitsmärkte verändern sich grundsätzlich in Bezug auf die Ansprüche von Arbeitnehmenden und Arbeitswelten unterliegen einem nie dagewesenen Wandel und Fachkräftemangel.

Ich glaube das eigentliche Problem liegt in der Undurchsichtigkeit der Möglichkeiten und vor allem der fehlenden Aufklärung in den Unternehmen.

Jedem Unternehmen ist vollkommen klar, dass gesunde Mitarbeitende und gesunde Arbeit zu mehr Produktivität, Qualität und Leistung führt. Man kann also aufhören redundant zu sein. Der Fokus muss für 2023 und die kommenden Jahre darauf liegen, das „Wie“ in den Vordergrund zu stellen.

Wie kann ich mit gesunder Arbeit die Arbeitgeberattraktivität steigern? Wie kann ich die Fluktuation verringern? Wie kann ich die Produktivität, Leistungsfähigkeit und Qualität durch gesunde Arbeit erhöhen? Das sind nur einige der zentralen Fragen, die mit Zuversicht beantwortet werden müssen.

Eines ist sicher – am Geld liegt es nicht. Vielmehr an der fehlenden Zeit oder aber natürlicherweise der Kompetenz (oder wie schneidet man sich nochmal selber die Haare?). Jedes Jahr stehen 242 Mio. € für gesunde Arbeit als Fördermittel der Krankenkassen zur Verfügung, kompetente und erfahrene Dienstleister wie die MOOVE GmbH beraten und begleiten die Unternehmen bei der Etablierung und Umsetzung von gesunder Arbeit und helfen bei der Vermittlung einer partnerschaftlich agierenden gesetzlichen Krankenversicherung.

Zu wissen und zu verstehen, wie man gesunde Arbeit implementiert und wie man nachhaltig gesunde Arbeit ermöglicht, wird eine zentrale Herausforderung in der Zukunft sein. Dabei seine eigene und ursprüngliche Expertise nicht aus den Augen zu verlieren und „irgendwie“ gesunde Arbeit zu machen ist ein Schritt in die falsche Richtung. 

Mental Health - bridging the gap 

Krankheit ist der häufigste Grund für Fehlzeiten. Sie merken es schon, Fehlzeiten und Krankheit ist nicht das Gleiche, wird aber sehr gerne gleichbedeutend genutzt. Was aber, wenn es Gründe gibt, die zwar zu partiellen Fehlzeiten führen, aber nicht eindeutig als Krankheit identifiziert werden. Willkommen in einem hausgemachten Problem unserer Gesellschaft – dem Umgang mit dem Thema Mental Health. Über Jahrzehnte hinweg begann die Definition einer psychischen Erkrankung erst dann, wenn beispielsweise eine Depression diagnostiziert wurde. Alle mentalen Beeinträchtigungen, die relevanten Einfluss auf unser Verhalten, unsere Leistungsfähigkeit und auch unsere Resilienz hatten, wurde gewissenhaft von der Gesellschaft weggeatmet oder erstmal grundsätzlich als nicht gesellschaftskonform deklariert.

Nun steigen die Diagnoseraten seit mehreren Jahren exponentiell an und wir kommen mehr und mehr an den Punkt, dass mentale Erkrankungen und Beeinträchtigungen entkriminalisiert werden. Soweit so gut, aber die bloße Akzeptanz, dass mentale Einschränkungen sowohl private, als auch berufliche Hintergründe haben können und nettes, gegenseitiges Bedauern, bringen uns leider nicht weiter.

Die größte Herausforderung wird es sein, dass wir es gesellschaftlich fertig bringen den „Mental Health Gap“ der Lebenswelten zu schließen. Es ist nämlich tatsächlich vollkommen egal, ob ein privates Ereignis zu einer mentalen Erkrankung führt oder die Beanspruchungen und Belastungen bei der Arbeit. Fakt ist, dass die jeweils komplementäre Lebenswelt die Ressource sein kann und muss, die entstehenden Defizite in der gegenüberliegenden Lebenswelt so lange auszugleichen, bis hier Abhilfe geschaffen wurde. Entweder eigenständig oder durch Einsichten und Interventionen in der jeweiligen Lebenswelt. Unternehmen und Gesellschaft haben damit einen Auftrag erhalten, den sie zu Ihrem eigenen Nutzen und für Ihre eigene Zukunft umsetzen müssen.

Auch hier reden wir vom Unterschied zwischen Lernen und Verstehen. Erst wenn wir verstehen, dass unsere Lebenswelten Ressourcen sein müssen und Ressourcen bieten müssen, werden wir auch mit der „stillen Pandemie“ Mental Health umgehen können. 

Spaltung der Gesellschaft aufgrund der globalen Krisen --> Drang in extreme Positionen 

Mein Beruf ist ein menschenzentrierter Beruf und ich muss es so sagen – ich finde Menschen faszinierend. Wir tun seltsame Dinge und finden diese vollkommen normal, wir tun logische Dinge und werten uns dafür gegenseitig ab. Für mich persönlich ist der Einfluss von „Stapelkrisen“ in den letzten Jahren, der ständigen Verfügbarkeit von emotionalisierten und meinungsgeschwängerten Informationen unterschiedlichster Qualitäten und dem vielfach benannten „früher was alles besser“ Gesellschaftssprech die größte Gefahr für eine zukunftsgerichtete, nachhaltig agierende und demokratische Gesellschaft.

Persönliche Betroffenheit und/oder Meinung zu einem bestimmten Thema, lassen uns auf ganz natürliche Weise nach Unterstützern für unsere eigene Meinung und unsere eigenen Belange suchen. Wir der Druck auf uns hoch genug, oder die Situation zu komplex, tendieren wir Menschen dazu Bedenken und Reflektion eher über Bord zu werfen und einzelnen Personen zu folgen, die eine Richtung vorgeben. Allzu gerne blenden wir dann aus, dass diese Personen oder Organisationen aber auch zu anderen Themen Meinungen haben und diese in den seltensten Fällen deckungsgleich mit unserer zumeist vernunftbegabten Denkweise ist.

Da spazieren Menschen, die sich Sorgen um die demokratischen Grundrechte machen, mit Pandemieverweigerern und Maskengegnern gerne auch Hand in Hand mit Parteien am rechten Rand durch die Städte und sehen nicht, wie Sie Organisationen Reichweite bieten, deren Meinung gerne im Keller der Geschichte bleiben darf.

Wir machen uns Sorgen darum, dass wir im Winter in unserer Wohnung einen Pulli tragen müssen und vergessen, dass jeden Tag Menschen auf der Flucht vor politischer Verfolgung wahlweise erfrieren oder ertrinken. Gerne klatschen wir dann für Protagonisten, die sich gegen Energieeinsparungsmaßnahmen einsetzen und hören verschämt weg, wenn dann im nächsten Satz die Einwanderungspolitik unter demokratischen Verständnis mit Füßen getreten wird. 

Wir werden lernen müssen wieder mehr miteinander, als übereinander zu sprechen. Wir müssen objektiver und offener gegenüber den Bedürfnissen in unserer Gesellschaft sein, damit wir die zunehmende Spaltung verhindern. Eine Spaltung der Gesellschaft öffnet immer die Türen für die Personen und Organisationen, die in unserer Gesellschaft zu Recht keinen Platz haben dürfen. Geschichte wiederholt sich und es liegt an uns hier zu gestalten anstatt zu verwalten. 

Solutions beyond tomorrow 

Ich mag diesen Claim eines unserer Partner und Kunden, denn ich kenne die Erklärung dazu und halte sie für sehr schlau. Wenn wir heute übermorgen denken, können wir morgen viel genauer bestimmen. Ich finde diese Herausforderung für uns alle so wichtig, weil Sie zum Einen echtes nachhaltiges Denken ermöglicht uns aber vor allem in dieser volatilen Welt ein Stückchen Sicherheit geben würde. Menschen bedauern nämlich oft, dass Sie ein bestimmtes Verhalten nicht rückgängig machen können, oder nicht mehr die Option haben einen anderen Weg zu gehen. 
Das Denken an Übermorgen mit dem Ziel morgen zu gestalten hilft hier sehr. Auch eine Vielzahl meiner Lieblings-Abwehrargumente für Veränderungen oder die Einführung von gesunder Arbeit lässt sich mit dieser Art des Denkens von ganz alleine entkräften.

Ich glaube wir alle haben durch Krisen wie die Corona Pandemie in ein Denkmuster der kurzfristigen Ja/Nein Entscheidungen migriert – einfach weil es das Denken einfacher macht. Das kann auch gerne so bleiben, aber stellen Sie sich immer die Frage: „Würden Sie auch übermorgen Ja/Nein antworten?“ 

Wo kann man die MOOVE und mich treffen? 

Wir lieben Begegnungen, deshalb findet man die MOOVE auf allen ZP Messen (Nord, Süd, Europe) im Corporate Health Bereich. Mich selber trifft man persönlich auf der ZP Europe oder gerne auch auf ein Telefonat, eine Teams Meeting oder einen Kaffee in Köln oder bei Ihnen.

Über den Autor und ZP Denkbar Mitglied

Portrait von Bastian Schmidtbleicher

Bastian Schmidtbleicher, Vordenker im Bereich Gesunde Arbeit, Wegbegleiter für Gesunde Arbeit in Unternehmen und Autor von Artikeln und Buchbeiträgen. Mein Fokus liegt auf der Gestaltung gesunder Arbeit und der Schaffung gesundheitsförderlicher Arbeitsplätze.