Home-Office - mehr als nur die technische Infrastruktur

12.11.2020 | Inga Höltmann

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Dieses Jahr hat unsere Arbeit verändert, ohne Frage. Nun sollte das ja nichts Neues sein, denn über die Veränderung unserer Arbeit sprechen wir ja nun schon ein paar Jährchen – doch in diesem Jahr hat sich die Geschwindigkeit spürbar erhöht. Corona hat uns alle in die Home-Offices katapultiert – ob wir das wollten oder nicht, ob wir darauf vorbreitet waren oder nicht. Von heute auf morgen saßen wir alle – bei wem auch immer es ging – im Home-Office, auch in Jobs oder in Organisationen, in denen es hieß, dass das nie möglich sei: „Vielleicht kann man andere Jobs remote erledigen, aber diesen ganz sicher nicht!“

Nun, als es von heute auf morgen musste, ging es plötzlich – und das ist eine gute Nachricht: So herausfordernd dieses Jahr bisher auch war, es hat uns doch auch so manches Mal gezeigt, wie schnell wir handeln können und wie lernfähig wir sind, wenn wir müssen.  

Doch was ich auch immer wieder beobachtet habe: Wie schnell manche Unternehmen ihre Mitarbeitenden wieder zurückholten ins Büro, sobald die Situation dies zuließ. Im Sommer, als die Pandemie-Situation sich etwas entspannt hatte, haben viele wieder wie zuvor gearbeitet – nämlich im Büro. Die Botschaft, die darin liegt, lautet: Das Home-Office ist nur ein Lückenfüller, wenn es nicht anders geht, und in Wirklichkeit wird unsere Arbeit doch im Büro erledigt. Und das ist eine problematische Botschaft. 

Zwar stimme ich zu, dass das absolute 100%ige Home-Office, das wir am Anfang der ersten Welle umsetzen mussten, nicht das Ideal eines Home-Offices ist. Und auch, wenn wir in Zukunft ortsflexibler arbeiten werden - niemand muss fünf Tage in der Woche ausschließliches Home-Office anstreben. Und so sollten wir das auch gestalten: Für bestimmte Aufgaben oder unter bestimmten Umständen ist das Home-Office geeignet, ohne Frage. Arbeit im Home-Office kann uns die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern, weil Wegezeiten wegfallen. Oder es kann einen geschützten Raum für konzentriertes Arbeiten ohne Störungen geben. Doch es kann und soll das Büro nicht ersetzen – wo immer wir in den Austausch kommen, wo wir an unseren Beziehungen bauen, wo wir gemeinsam Ideen entwickeln wollen, tun wir gut daran zusammenzukommen, zum Beispiel eben im Büro. 

Das Home-Office ist mehr als nur der Raum und vielleicht noch die technische Ausstattung wie Geräte oder Cloud-Lösungen, die wir brauchen, damit wir überhaupt arbeitsfähig sind. Diese Infrastruktur ist eine Grundvoraussetzung, ohne Frage, doch wenn sie geschaffen ist, beginnt die eigentliche Arbeit erst. Nämlich die Arbeit neben unserer eigentlichen Arbeit: Reflexion und Meta-Arbeit. Was klappt gut, was klappt nicht so gut? Was brauchen wir, um produktiv und gesund im Home-Office arbeiten zu können? Wie bereiten wir Informationen auf, wie setzen wir Prozesse auf? Und es ist auch wichtig, immer wieder in den Austausch zu gehen, wie lief der Tag, die Woche, das letzte halbe Jahr? Was hat sich eingeschliffen?

Und so sehen wir, dass das Home-Office zwei Facetten hat, die wir gleichberechtigt im Auge haben müssen: Die technische Infrastruktur genauso wie die kommunikative Ebene, die es begleitet. 

Ich habe Sorge, dass im kommenden Jahr wieder viele Unternehmen ihre Mitarbeitenden ins Büro zurückholen, sobald es geht, weil sie mit der täglichen Umsetzung des Home-Offices und den remote arbeitenden Mitarbeiter/innen nicht zufrieden sind, weil es zu sehr knirscht und zu viel nicht klappt. Und das kann leider passieren, wenn wir es vergessen, es uns zur Aufgabe zu machen, über Kommunikation und Strukturen zu sprechen, die über die technische Infrastruktur hinausgehen. Wenn wir nicht ganz bewusst nach den Lehren fragen, die wir brauchen, um das Home-Office zum Laufen zu bringen, wenn wir uns allein auf die technische Infrastruktur verlassen, wird das nicht ausreichen. 

Und deshalb rate ich allen Firmen, deren Mitarbeitende nun im Home-Office sitzen: Geht miteinander in den Austausch. Fragt nicht nur nach Projektdaten oder sprecht über Termine und Fristen, sondern auch: Wie kommst Du klar im Home-Office? Was brauchst Du, damit das langfristig klappt? Welche Aufgaben wollen wir remote erledigen und für welche kommen wir im Büro zusammen? Denn nur, wenn wir das tun, wird die hybride Zusammenarbeit auch langfristig klappen – in unserem „New Normal“ nach Corona. 
 

 

Über die Autorin

Inga Höltmann ist Expertin für die Themen Kulturwandel in Unternehmen, New Work und Digital Leadership. Sie ist Gründerin der “Accelerate Academy”, einer Plattform für Neues Arbeiten und Neues Lernen, sie tritt als Keynote-Speakerin auf und arbeitet im Rahmen von Workshops in Unternehmen zu Themen rund um Neue Arbeit. Sie ist außerdem ausgebildete Wirtschaftsjournalistin, zu ihren Auftraggebern gehören der Berliner Tagesspiegel und der Deutschlandfunk Kultur. Bekannt ist sie auch für ihre beiden Podcasts zur Zukunft der Arbeit, nachzuhören unter ingahoeltmann.de/podcast.