„Die Qualifizierung und/oder Umschulung der Mitarbeiter als strategische Herausforderung für Unternehmen.“ – Interview mit Elton Schwerzel
02.10.2019 | Redaktion Zukunft Personal
Elton Schwerzel, Leiter DACH-Team bei Talentsoft spricht im Interview über die Qualifizierung und/oder Umschulung der Mitarbeiter als strategische Herausforderung für Unternehmen.
1. Die Digitalisierung erfordert neue Personalprozesse: Wie können sich Unternehmen auf die neuen Marktanforderungen vorbereiten
„Zunächst einmal ist es wichtig, sich den Status Quo vor Augen zu führen, bevor man überhaupt an Digitalisierung und neue Personalprozesse denkt. Wirft man einen Blick zurück, standen Personalabteilungen bisher vor dem großen Problem, dass Innovationsbudgets meist für Prozesse aufgewendet wurden, die essentiell für das Kerngeschäft waren. Das hat natürlich zur Folge, dass viele Personaler mit analogen Prozessen, veralteten Insellösungen und unterschiedlichen Systemen in den verschiedenen Regionen zurechtkommen müssen. Informationsbrüche, fehleranfällige, oft zeitverzögerte Reportings und generell ungern genutzte Lösungen sind die Folge. Wenn man bedenkt, wie viel Einfluss die Digitalisierung auf unser Privatleben hat, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass gerade durch die jüngere Generation in Unternehmen die Stimmen nach gleichwertigen, einfach zu bedienenden Systemen immer lauter werden.
Personalabteilungen machen bei der Digitalisierung aktuell den Fehler, zu viel auf einmal zu wollen und den zweiten Schritt vor dem Ersten zu machen. In unseren ersten Beratungsgesprächen wird meist schnell deutlich, dass HR sich noch keine grundlegenden Gedanken über tatsächliche Anwendungsfälle gemacht hat. Dabei ist die Frage, wie die HR-Digitalisierung auf die Unternehmensstrategie einzahlt, in unserer schnelllebigen Welt von immenser Bedeutung. Daraus ergibt sich automatisch, dass der Fokus nicht nur auf der Reduzierung des manuellen Aufwands und der Ablösung von Papierprozessen durch Online-Formulare liegen darf, sondern dass die Unterstützung und Entwicklung der Mitarbeiter und Führungskräfte in den Vordergrund rücken muss.
Durch die aktuelle Vollbeschäftigung und die Transparenz durch das Internet ist es für Mitarbeiter leicht, sich ein Bild über die aktuelle Marktlage und einen potentiellen neuen Arbeitgeber zu machen, wenn der aktuelle Job einen nicht mehr erfüllt. Headhunter haben dann leichtes Spiel, den Mitarbeiter zu einem Arbeitgeber zu locken, der offen mit Entwicklungsmöglichkeiten wirbt. Unternehmen können dem nur entgegenwirken, wenn sie ihren Mitarbeitern vermitteln, wie ihr persönlicher Beitrag zum Unternehmenserfolg aussieht, welche Karrierewege es im Unternehmen gibt, wie sie auf dem Weg dorthin mit gefördert werden und wer mögliche Kontakte sind, die beim nächsten Karriereschritt unterstützen.“
"Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern vermitteln, wie ihr persönlicher Beitrag zum Unternehmenserfolg aussieht."
2. Warum ist Mitarbeiterengagement so wichtig?
„Glaubt man den neuesten Studien, verschwinden durch die Digitalisierung bis 2025 weltweit 75 Millionen Jobs. Eine Größenordnung, die man durchaus erst einmal sacken lassen muss. Gleichzeit sollen aber auch 133 Millionen neue Jobs entstehen, die heute noch nicht existieren. Diese Ungewissheit ist für Mitarbeiter und Unternehmen gleichermaßen eine große Herausforderung und fordert uns alle zum Umdenken auf. Denn Tätigkeiten, die automatisiert werden können, werden in Zukunft in jedem Bereich automatisiert. Und so muss sich auch HR, gerade wenn es um administrative Aufgaben geht, diesem Thema stellen.
Umso mehr rückt die menschliche Singularität in den Vordergrund – also die Summe aller Fähigkeiten, Eigenschaften und Werte, die eine Person ausmachen und uns von Maschinen unterscheiden. Wichtig ist daher die enge Zusammenarbeit zwischen HR und den Fachbereichen, um zu verstehen, vor welchen Herausforderungen Mitarbeiter stehen, auf welche Entwicklungen sie sich vorbereiten müssen und welche Profile sie im Team zur Erreichung der Unternehmensziele benötigen.
Beide Parteien müssen im Bewerbungsprozess und der Karriereplanung Persönlichkeiten identifizieren, die sich harmonisch in bereits bestehende Teams integrieren und deren Singularitäten fördern. Der Schlüssel zum Erfolg ist hier ein Umfeld, das jeden Mitarbeiter ermutigt, sich frei zu entwickeln.“ Die Motivation verbindet die einzelnen Persönlichkeiten mit dem Unternehmensziel. Das Engagement der Mitarbeiter geht dabei über die reine Arbeit hinaus. Gemeinsame Erlebnisse verbinden. Dies erfordert, beginnend beim Recruiting-Prozess, ein hohes Team-Verständnis. Vergleichbar mit dem Aufbau einer Sportmannschaft, gilt es, ein engagiertes Kollektiv zu formen, um das gemeinsame Ziel zu erreichen.
3. In welche Lösungen sollten Unternehmen investieren, um ihre Mitarbeiter auf Veränderung vorzubereiten?
"Veränderungen innerhalb der eigenen Organisation sollten Unternehmen am besten mit einem Position Management Tool planen"
„Wie eingangs erwähnt, werden in den nächsten Jahren durch die Digitalisierung zahlreiche Jobs wegfallen, aber auch viel Neue entstehen. Diese Veränderungen innerhalb der eigenen Organisation sollten Unternehmen am besten mit einem Position Management Tool planen, sodass sie zielgerichtet feststellen können, welche Kompetenzen im Unternehmen fehlen, um in Zukunft auch weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben.
Mit den gewonnenen Ergebnissen aus diesem Schritt können Unternehmen mittels einer Online-Learning-Plattform ihren Mitarbeitern Weiterbildungsmaßnahmen in Form von Präsenzschulungen und digitalen Lerninhalten anbieten. Natürlich muss sichergestellt werden, dass diese auf dem aktuellen Kenntnisstand der Mitarbeiter aufbauen, realistische Perspektiven aufzeigen und den Mitarbeitern neue Kompetenzen an die Hand geben, mit denen sie ihren Platz im digitalisierten Unternehmen finden können.
Ideal ist hier eine integrierte Lösung, welche es möglich macht, Mitarbeiter nicht nur mit zukünftigen Positionen zu matchen, sondern ihnen gleichzeitig die richtigen Lerninhalte zur Verfügung zu stellen, um in diese Position zu wachsen.“
"Unternehmen können mittels einer Online-Learning-Plattform ihren Mitarbeitern Weiterbildungsmaßnahmen in Form von Präsenzschulungen und digitalen Lerninhalten anbieten."
4. Inwiefern können digitale Lern- und Trainingsinhalte die Karrierepfade von Mitarbeitern beeinflussen?
„Im Durchschnitt stehen nur 2,3 Weiterbildungstage pro Mitarbeiter zur Verfügung. Wir erleben aber gerade einen Wandel im Bereich der Weiterbildung, da viele Unternehmen verstärkt in digitales Lernen investieren.
Der Vorteil des digitalen Lernens für Unternehmen und Mitarbeiter liegt darin, dass sich Lerninhalte individuell zusammenstellen und schnell und kostengünstig je nach Bedarf anpassen lassen. Noch dazu können Mitarbeiter die Inhalte flexibel zu jeder Zeit und von jedem Ort aus abrufen und dementsprechend besser in ihren Arbeitsalltag integrieren. Auf diese Weise wird zusätzlich das selbstorganisierte und lebenslange Lernen gefördert. Durch die ständige Verfügbarkeit von digitalen Lerninhalten haben Mitarbeiter außerdem die Möglichkeit, sich in Bereichen weiterzubilden, die im Rahmen der traditionellen Weiterbildung gar nicht möglich wären. Dies bedeutet, dass Mitarbeiter schneller auf Jobveränderungen im Rahmen der Digitalisierung reagieren können oder dass beispielsweise ein Mitarbeiter aus der Buchhaltung die Möglichkeit hat, in die Softwareentwicklung zu gehen.“
"Durch die ständige Verfügbarkeit von digitalen Lerninhalten haben Mitarbeiter die Möglichkeit, sich in Bereichen weiterzubilden, die im Rahmen der traditionellen Weiterbildung gar nicht möglich wären."
5. Welche Herausforderungen entstehen dadurch für HR-Abteilungen?
„Wir sollten von Chancen und Möglichkeiten und nicht so sehr von Herausforderungen sprechen. HR-Manager und ihre Teams haben jetzt die Möglichkeit, alte Zöpfe abzuschneiden, Prozesse zu sichten und zu standardisieren. Das mag anfänglich eine Herausforderung sein, wird aber unumgänglich in einer Effizienzsteigerung resultieren.
Der Umgang mit neuen Technologien, Prozessen und Lerninhalten bedarf auch der Weiterbildung in der HR-Abteilung. Wie setze ich den neuen Prozess auf? Wie rolle ich ein Projekt aus und wie stelle ich fest, ob die Maßnahme oder das Training erfolgreich war? Alles Fragen, die gut vorbereitetet werden müssen und selbstverständlich sollten alle Rahmenbedingungen erfüllt werden. Haben wir die richtige Infrastruktur und Systeme? Wie unterstützt die IT? Welche Auflagen hat der Betriebsrat? Schnell wird klar: Ohne ein gut organisiertes und noch besser vorbereitetes Projekt wird sich der Veränderungsprozess „Change Management“ bzw. der Erfolg in der Umsetzung eines Trainings- und Weiterbildungsdigitalisierungsprojektes nicht einstellen.
Doch der Aufwand lohnt sich, am Ende stehen Innovation, Flexibilität und Effizienz genauso wie die Motivation und Bindung der Mitarbeiter durch den Einsatz von neuen Technologien im Vordergrund.“
"HR-Manager und ihre Teams haben jetzt die Möglichkeit, alte Zöpfe abzuschneiden, Prozesse zu sichten und zu standardisieren."
6. Wie stehen Führungskräfte zur Digitalisierung in der Mitarbeiterweiterbildung?
„Grundsätzlich sind Führungskräfte sehr an den Digitalisierungsstrategien der Fachbereiche interessiert. Gefühlt werden jedoch die Personalabteilungen und somit das Thema Mitarbeiteraus- und weiterbildung vernachlässigt. Umso wichtiger ist es, bei der Positionierung entsprechender Konzepte darzulegen, wie durch E-Learning und E-Training auf digitalen Plattformen das Geschäftsmodell unterstützt wird. Das Geschäftsmodell ist hier immer der Hebel.
Sobald Unternehmen verstehen, wie die digitale Mitarbeiterweiterbildung Innovationen vorantreiben kann und auf die Unternehmensstrategie einzahlt, ist der Zuspruch in der Regel groß. Vor diesem Hintergrund unsere Empfehlung: “Erstellen Sie im ersten Schritt immer ein Konzept, das klar darlegt, welche Verbesserungen für das Unternehmen und die Mitarbeiter aus dem Projekt resultieren.“ Damit wird das Mitarbeiterweiterbildungsprojekt 4.0 zum Selbstläufer.“