HR-Analytics: Was kann der HR-Bereich vom Profi-Fußball lernen?
15.06.2021 | Robin Wunsch & Tarek Brauer
Eine Menge Daten von Sportlern erfassen, auswerten und so die Leistungsfähigkeit von Teams maximieren - das gehört im Profifußball schon lange zum Alltag. Aber lässt sich diese Denke auch auf die HR-Arbeit eines „klassischen“ Unternehmens übertragen? Was können Personal-Profis vom Spitzensport lernen – und wo liegen die Grenzen der Leistungsmessung? GuideCom-Vorstandssprecher Robin Wunsch hat darüber mit Tarek Brauer, Direktor Personal und Recht von Werder Bremen, gesprochen.
Robin Wunsch: Während umfangreiche Datenanalysen für viele HR-Bereiche noch relativ neu sind, gehören sie im Leistungssport seit langem dazu. Wie sieht es da bei Werder Bremen aus?
Tarek Brauer: Genau, Leistungsdaten gehören für unsere Trainer zum „daily business“. Für unsere Fußballer gibt es einen digitalen „Player Passport“, der eine Vielzahl an Daten sammelt und auswertet, zum Beispiel Verletzungen, Erkrankungen, Schlaf- und Ernährungsverhalten oder Regenerationszeiten. Auf dem individuellen Level des Spielers erheben wir so jegliche leistungsbeeinflussenden Parameter und werten sie gezielt aus.
Das ist sicher ein ganz anderer Ansatz als bei Euren Angestellten in der Verwaltung, die sich um den optimalen Betrieb des Unternehmens Werder Bremen kümmern…
Ja, hier müssen wir unterscheiden zwischen den gut 180 Vollzeitkräften der Kapitalgesellschaft und den Profisportlern. Bei Letzteren ist das Ziel ganz klar der gläserne Spieler. Die Sportler sind unsere größten Vermögenswerte, sie finden sich auch in der Bilanz wieder. Deshalb finde ich – in diesem Zusammenhang – den Begriff Humankapital angemessen: Werder muss seine Werte erhalten und bestenfalls erhöhen. Deshalb werten wir die Daten akribisch aus. Egal was auf uns im „normalen“ HR-Bereich noch zukommt: Das ist die Spitze dessen, was man sich vorstellen kann.
Das Thema der Datenanalyse gewinnt in vielen Unternehmen im Personalbereich deutlich an Relevanz. Wie blickst Du mit diesem Hintergrund bei euch auf das Thema?
Ganz klar ist: Persönlichkeitsrechte und Ethik sind in der klassischen HR-Arbeit auf einem anderen Level zu beurteilen als bei Spielern. Bevor Daten ins Spiel kommen, muss man immer im Blick haben, was man damit auslöst. Sobald der Zungenschlag der Überwachung reinkommt, hat man aus meiner Sicht verloren. Ein Unternehmen sollte deshalb nicht einfach Daten erheben, sondern braucht zunächst eine strategische Zielrichtung und muss erklären, warum es etwas tut. So kann ein Teil dieser Datenstrategie beispielsweise darin liegen, das Unternehmen selbst aber auch jeden einzelnen Mitarbeiter besser zu machen, also den Bereich des Talent Managements zu stärken.
Bei der Entwicklung der neuen Unternehmens- und HR-Strategie war das auch eines der Zielfelder von Euch. Welche Überlegungen standen hier im Fokus?
Teil unserer neuen Kultur ist es, gezielter zu fördern, die berühmte Gießkanne ist zu wenig. Bei der Frage, was der einzelne Mitarbeiter braucht, verlassen wir uns vor allem noch auf das Urteil der Führungskraft. Doch die Frage ist: Wie validiert diese ihre Einschätzung, was nötig ist? Gute Führungskräfte beziehen dabei oft eine gewisse Intuition mit ein, schwache reichen nur den Wunsch der Mitarbeiter weiter. Doch das ist nicht der Sinn von Talent Management – und so funktioniert es auf dem Platz auch nicht. Die Belastung eines Spielers richtet sich nicht danach, was jemand gerne möchte, sondern was der Körper braucht. Kurz: Das Sammeln von Daten führt zu einer Objektivierbarkeit, die sehr wichtig ist.
Die Stärke von People Analytics besteht hier vor allem darin, den Einzelnen mit seinen individuellen Bedürfnissen und Anforderungen optimal zu unterstützen. Dazu kommt: People Analytics arbeitet nicht deskriptiv, sondern richtet den Blick nach vorne und kann damit auch Fragen beantworten, die Unternehmen in angespannten Märkten unter Druck setzen. Die Frage nach der individuellen Austrittswahrscheinlichkeit von Talenten ist hier zum Beispiel eine oft gestellte. Mich würde aber noch eine andere Frage interessieren: Bevor ein Unternehmen beginnt, mit HR-Analytics den Einzelnen besser zu fördern, steht oft ein Umdenken, sowohl im HR-Team, aber auch bei der Unternehmensführung und allen Führungskräften an. Wie sah das bei Werder Bremen aus?
Die Überzeugung für das Thema Data Analytics war bei uns schon immer sehr groß – natürlich aber auch, weil wir die Stärken und Impulse tagtäglich bei unseren Sportlern sehen. Im Bereich des Talent Managements hatten wir eher das Problem so gezielt vorzugehen, denn wer einen fördert, fördert einen anderen eben auch nicht. Es gehört auch Mut dazu, das neu zu denken. Aber letztendlich sind wir überzeugt, dass das erfolgsentscheidend sein wird: Wir müssen differenziert hinschauen, auswählen und Potenzialträger fördern.
Wie werdet Ihr konkret vorgehen? Hast Du ein Beispiel, um die Herangehensweise deutlich zu machen?
Bei den Fußballern gibt es ein Talent-Team, das besonders gefördert wird. Diese jungen Sportler können zum Beispiel mit den Athletik-Trainern arbeiten oder Rat von Psychologen einholen. Den Ansatz haben wir nun auf die Belegschaft übertragen: mit einem Talent-Team in der Geschäftsstelle. Meine Vision geht aber noch weiter: Ich möchte – gemeinsam mit Hochschulen – eine Werder-Akademie aufbauen und Talenten die Möglichkeit zur Weiterentwicklung bieten.
Web Session vom 20.05.21
Hier geht’s zur Aufzeichnung der Web Session
"Wie erfolgreiche People Analytics Konzepte aus dem Profifußball auch Ihr Talent Management stärken können"
mit Robin Wunsch, Vorstandssprecher und Gründer der GuideCom AG und
Tarek Brauer, Direktor Personal und Recht beim SV Werder Bremen.
Mehr zu guidecom unter: https://www.guidecom.de/magellan