Wieso Employer Branding und Sinnstiftung falsch verbunden werden.

20.09.2019 | Jakob Osman

Employer Branding und Sinnstiftung
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Sinnstiftung ist im Employer Branding zu dem Schlagwort avanciert. Nur wer sich in einem sinnstiftenden Beruf arbeitet, findet Erfüllung. Das ist heute ein weit verbreitetes Credo und viele Arbeitgeber bedienen es in ihren Online-Auftritten und Kampagnen, um Bewerber zu begeistern. Zu viele! Denn die Idee ist gleich in zweifacher Hinsicht falsch: Erstens sind Berufe nicht sinnstiftend. Nur die Unternehmen, in denen diese ausgeübt werden, können sinnstiftend sein. Und zweitens kann auch die Arbeit in einem nicht sinnstiftenden Job absolut erfüllend sein.

Sinnstiftung hängt vom Arbeitgeber ab

„Sinnstiftende Arbeit für jeden“, „So sinnstiftend ist Arbeit heute“, „Warum Menschen immer mehr Jobs mit Sinn suchen“, „Sinnstiftende Arbeit verringert Fehlzeiten“: Die Medien werden nicht müde, das Thema Sinnstiftung in ihren Headlines zu penetrieren. In den entsprechenden Artikeln zitieren sie Studie um Studie, in denen ein bedeutsamer Beruf meist als das neue Heilsversprechen ausgegeben wird. Verzeihung: Aber das ist Unsinn! Arbeitnehmer können sich nicht per se einen sinnstiftenden Beruf aussuchen.

"Arbeitnehmer können sich nicht per se einen sinnstiftenden Beruf aussuchen."

So kann sich ein und derselbe Jurist für eine Anstellung bei Amnesty International entscheiden und andere Menschen dabei unterstützen, die eigenen Rechte durchzusetzen. Er kann aber auch bei einem großen Lebensmittelhersteller anheuern und die Privatisierungen von Wasserquellen in der Dritten Welt vorantreiben. Im ersten Fall wäre der Job sinnstiftend, im zweiten Fall nicht. Beide Male handelt es sich aber um den gleichen Beruf. Dieses zugebenermaßen etwas plakative Beispiel zeigt: Sinnstiftung im Job hängt vom Arbeitgeber ab.

Und genau diesen Heimvorteil wollen Unternehmen in ihrem Employer Branding für sich nutzen. Wer sich Karriereseiten und Stellenanzeigen durchliest, stößt auf unglaublich viele „sinnstiftende Jobs“. Weil dieses Schlagwort bei Bewerbern gerade so en Vogue ist, wird es eben bedient. Das aber meist ohne Sinn und Verstand. Denn was heißt Sinnstiftung eigentlich genau? Laut Definition geht es dabei um Aufgaben eines Unternehmens, die so gewichtig sind, dass in der Wertschöpfungskette oder in der Gesellschaft etwas Entscheidendes aus den Fugen geraten würde, wenn sie wegfielen.

Differenzierung statt Sinnstiftung

Diesem Anspruch genügen naturgemäß nur die wenigsten Jobs. Entsprechend kann auch nur ein geringer Prozentsatz der Arbeitgeber die eigenen Stellen im hauseigenen Employer Branding als sinnstiftend verkaufen. Ein bisschen ökologisch zu handeln reicht also nicht aus, um sich selbst als Sinnstifter zu feiern. Um es einmal ganz klar zu sagen: Solche Employer Branding-Botschaften sind für die Tonne. Der Großteil der Arbeitgeber täte gut daran, das Wörtchen „Sinn“ schnell wieder von der eigenen Karrierehomepage und aus geschalteten Stellenanzeigen auszumerzen.

"Der Denkfehler: Man setzt Employer Branding mit Sinnstiftung gleich. In Wahrheit ist Employer Branding aber mit Differenzierung gleichzusetzen!"

Der Denkfehler, der ihnen unterlaufen ist: Sie setzen Employer Branding mit Sinnstiftung gleich. In Wahrheit ist Employer Branding aber mit Differenzierung gleichzusetzen. Es geht darum, eine starke Employer Brand auf den Mehrwerten aufzubauen, die ein Unternehmen im positiven Sinn einzigartig machen und mit denen es sich von anderen Arbeitgebern abhebt.

Viele Arbeitnehmer fühlen sich zum Beispiel davon angezogen, bei einem Innovationsführer zu arbeiten oder bei einem Unternehmen, in dem besonderer Wert auf Achtung gelegt wird oder in dem hoch agil gearbeitet wird – oder alles zusammen. Das ist es, was Unternehmen attraktiv macht. Aber es stiftet per se keinen Sinn.

"Man kann bei einem Arbeitgeber glücklich sein, der nicht antritt, die ganze Welt zu verbessern, der aber über eine Werteordnung verfügt, hinter der man als Arbeitnehmer uneingeschränkt stehen kann."

Zufriedenheit und Bindung als ausschlaggebende Faktoren

Das heißt aber nicht, dass die entsprechenden Jobs nicht erfüllend sein können. So kann man durchaus bei einem Arbeitgeber glücklich sein, der nicht antritt, die ganze Welt zu verbessern, der aber über eine Werteordnung verfügt, hinter der man als Arbeitnehmer uneingeschränkt stehen kann. So mancher Arbeitgeber differenziert sich von anderen, indem er Menschen wie Menschen behandelt. Indem er eine Kultur schafft, in der Arbeiten einfach Spaß macht. Sinnstiftung ist das nicht, aber es schafft Zufriedenheit und Bindung. Und genau darum geht es im Employer Branding: Die dafür ausschlaggebenden Faktoren zu erkennen, herauszuarbeiten, sie konstant zu verbessern und nach außen zu tragen. Dann ergibt alles einen Sinn.

Über den Autoren

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Jakob Osman ist Employer Branding Experte seit über 10 Jahren. Seine Agentur Junges Herz berät Kunden weltweit, um starke, differenzierende und wirkungsvolle Arbeitgebermarken aufzubauen. Dabei konzentriert sich die Agentur auf mittelständische Unternehmen und unterstützt diese Firmen als Full-Service-Agentur Junges Herz.