Fahrer und Fahrerinnen wird es immer brauchen!

30.06.2021 | Beatrice Maisch & David Heisig

Foto von LKWs
Quelle: pixabay

Lastkraftwagen (Lkw) mit gut ausgebildetem Personal zu besetzen, ist seit vielen Jahren für Logistikunternehmen eine Herausforderung. Auch wenn Logistiker immer mehr Abläufe entlang der Lieferketten digitalisieren, steuern noch immer Menschen die Lkw – und das wird in absehbarer Zeit so bleiben.

Was müssen Logistiker ändern, um die Lücke hinter dem Lenkrad zu schließen?

Länder in Europa sehen, neue Leute kennen lernen, geschickt und zupackend Waren bewegen: Fragt man Berufskraftfahrer heute nach dem Reiz ihres Jobs, bekommt man immer noch Antworten dieser Art. Es sind aber oftmals Idealbilder, vielleicht gute Erinnerungen an Touren oder eine Grundhaltung, warum sie oder er den Job gewählt haben. Der Alltag indes sieht anders aus: Er ist von Zeitdruck, Stress und harter körperlicher Arbeit geprägt. Hinzu kommt, dass vielen Fahrerinnen und Fahrern an der Rampe, auf der Straße oder gar im eigenen Unternehmen keine umfassende Wertschätzung entgegengebracht wird. Blickt man auf Europa, ergibt sich zudem ein verzerrtes Bild, wenn man Arbeitsbedingungen und Löhne in den einzelnen Staaten vergleichend in Relation setzt. 2019 warnte Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher beim Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL): „Wir stehen in Deutschland und Europa vor dem Versorgungskollaps, denn wir finden keine Fahrer mehr.“

 

Bedeutung der Fahrer in der Krise verkannt

Die Expertinnen und Experten hinter dem Lenkrad hätten in der Corona-Zeit – in gleicher Weise wie der Wirtschaftsbereich, für den sie unterwegs sind – mehr in den Fokus rücken müssen. Sie haben nicht nur die Grundversorgung sowie den Online-Handel jederzeit sichergestellt, sondern auch lebenswichtige Güter in extremen Mengen transportiert – vom Mund-Nasen-Schutz bis zum Impfstoff. Doch auch diesmal haben die Fahrer kaum Anerkennung in der Öffentlichkeit erhalten. Zudem hat die Corona-Krise ihre Arbeitsbedingungen nochmals verschärft: kilometerlange Staus an den Grenzen, geschlossene Restaurants, Toiletten und Duschen an den Rastanlagen. Erst nach und nach haben sich durch Initiativen von Verbänden und Unternehmen entlang der Autobahn die sanitären Probleme ein wenig entspannt. Jetzt steuern Industrie, Handel, Gesellschaft – und mit ihnen auch Logistikunternehmen und ihre Mitarbeiterinnen – langsam aus der Krise. Eine Verbesserung der Arbeitsmarktsituation der Berufskraftfahrer ist indes nicht zu erwarten. Schließlich haben im Lockdown viele Transportunternehmen ihre Flotten reduziert, Mitarbeiter freigestellt oder in Kurzarbeit geschickt. Vor der Krise kamen gut 20 Prozent der Fahrer aus dem Ausland. Nun stehen mitunter wieder deutsche und besonders qualifizierte Fahrer zur Verfügung. Erwartbare Insolvenzen bei kleinen und mittelständischen Transportunternehmen dürften ebenfalls Berufskraftfahrer freisetzen. Aktuell sind Vorhersagen der wirtschaftlichen Entwicklung schwierig. Die Konjunkturprognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2021 liegen weit auseinander. Eine Rechnung indes bleibt einfach: Wenn jährlich 15.000 Menschen neu in den Beruf einsteigen und doppelt so viele diesen aufgeben, wird es bei massivem Mangel bleiben. Hinzukommt, dass viele Neueinsteiger keine Ausbildung haben.

 

Neue Regelungen sollen Fahrer schützen

Der Gesetzgeber in Europa indes strebt massive, wenn auch zeitlich sukzessiv einsetzende, Veränderungen für die Arbeitsbedingungen an. Die Arbeitgeber in der Logistik werden hierauf reagieren müssen. Die gesetzlichen Neuerungen des EU-Mobilitätspakets, die im August 2020 in Kraft getreten sind, bedingen das. Dazu zählt das Rückkehrrecht der osteuropäischen Fahrer zum Ende der dritten Woche. Wird diese Vorschrift konsequent umgesetzt und kontrolliert, stehen insgesamt deutlich weniger ausländische Fahrer zur Verfügung. Zudem verursacht das Verbot, die Ruhezeit am Wochenende in der Fahrerkabine zu verbringen, Kosten für Übernachtungsplätze. Weitere gesetzliche Verschärfungen stehen noch aus: Bis 2026 soll es den digitalen Tachografen geben, der strenge Arbeitszeitkontrollen ermöglicht. Dann werden Fahrer weniger Zeit auf der Straße verbringen und mehr Fahrzeuge stehen bleiben.

 

Wer soll das bezahlen?

Das bisherige System ermöglicht wirtschaftliche Lkw-Transporte. Die Fahrer und Fahrerinnen tragen hierbei einen großen Teil des Ertrags bei. Experten und Expertinnen aus dem Wirtschaftsbereich Logistik plädieren daher dafür, Vergütung, Arbeitsbedingungen und Wertschätzung gegenüber dem Fahrpersonal zu verbessern. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. nennt 4000 Euro brutto monatlich als Ziel. Gefragt ist zudem Unterstützung bei der Altersvorsorge. Höhere Vergütungen und Investitionen indes führen zu höheren Preisen – für die Verlader, aber letztlich auch für die Endkunden. Verschiedene Initiativen haben sich es daher zur Aufgabe gemacht, diese Systematik zu erläutern, in die Gesellschaft zu kommunizieren und letztlich auch Lösungen anzubieten. Die Initiative „Die Wirtschaftsmacher“ gehört als Beispiel dazu. Viele Unternehmen der Logistik starten Versuche, die Arbeitsbedingungen der Fahrer zu verbessern. Sie investieren zum Beispiel in einen modernen Fuhrpark. Das bedeutet für Fahrer*innen in erster Linie technisch gut ausgestattete Fahrzeuge mit hohen Sicherheitsstandards. Digitale Unterstützung auf den Touren durch Fahrer-Apps, Gesundheitsangebote, Fahrsicherheitstrainings und Fortbildungen runden das Angebot ab. Zudem gibt es bei einigen Spediteuren für den Nachwuchs die Möglichkeit, sich den Führerschein finanzieren zu lassen oder Übernahmegarantien zu erhalten. Ein zentraler Wunsch der Berufskraftfahrerinnen und -fahrer indes erfordert keine geöffnete Geldbörse: der respektvolle Umgang. Hier müssen Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen und die Mitarbeiter an den Rampen sensibilisieren.

Mainblick

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