The Elephant in the Room - Indische Fachkräfte für den deutschen Markt

14.10.2020 | German Indian Startup Exchange Program

GINSEP über indische Fachkräfte
Quelle: Photo by Priscilla Du Preez on Unsplash

Der Fachkräftemangel in Deutschland stellt Arbeitgeber vor besondere Herausforderungen. Schon jetzt fehlen in vielen Bereichen gut qualifizierte Talente, beispielsweise Softwareentwickler und Ingenieure. Der indische Arbeitsmarkt hingegen bietet mit seiner Vielzahl an Nachwuchskräften ein großes Potenzial. 


Im Jahr 2020 gibt es annähernd 40 Millionen indische Studierende (Vergleich Deutschland: 2,8 Millionen). Gleichzeitig strömen derzeit jedes Jahr rund 7 Millionen junge Menschen (Vergleich Deutschland: 450.000) von der Hochschule auf den Arbeitsmarkt; bald werden es 14 Millionen sein. Insbesondere technische Studiengänge wie IT und Ingenieurswesen erfreuen sich hierbei großer Beliebtheit. Viele gut ausgebildete Inder gehen ins Ausland auf der Suche nach besseren Karrierechancen. Auch Deutschland wird immer beliebter unter indischen Absolventen. Die Bundesregierung hat zudem die Einstellung von ausländischen Absolventen im Fachkräfteeinwanderungsgesetz im März 2020 erstmals deutlich erleichtert. Nun genügt in der Regel ein von der Zentralstelle Ausländisches Bildungswesen anerkannter Hochschulabschluss für ein Arbeitsvisum in Deutschland. Während dies eine klare Chance für deutsche Arbeitgeber darstellt, ist es gegenwärtig jedoch traurige Realität, dass nur wenige indische Bewerbungen erfolgreich sind. Deutsche Unternehmen und Startups sind mit den vielen indischen Bewerbungen und der Fremdheit der Lebensläufe und Kultur oft überfordert.


Die Bundesregierung hat eine Vielzahl von Initiativen ins Leben gerufen, die sich mit dieser Herausforderung beschäftigen. Das German Indian Startup Exchange Program (GINSEP), gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), unterstützt unter anderem indische Fachkräfte in deutschen Startups eine Anstellung zu finden. 


Schon heute ist das deutsche Startup Ökosystem eines der größten in Europa. Gleichzeitig ist Berlin auf dem Weg Europas führende Gründermetropole zu werden. Trotz der derzeitigen Corona Krise bleiben Startups in Deutschland ein Jobmotor für die Wirtschaft und haben ihre durchschnittliche Mitarbeiterzahl auf 14,3 Mitarbeiter pro Startup in den letzten Jahren kontinuierlich gesteigert. Auch planen momentan rund 90% der deutschen Startups weiterhin Neueinstellungen. 


GINSEP unterstützt indische Fachkräfte durch gezielte Matchmaking-Workshops mit potenziellen Arbeitgebern eine Anstellung in Deutschland zu finden. Dabei fokussiert sich das Projekt insbesondere auf indische Studierende in deutschen Universitäten. Gleichzeitig baut das Projekt momentan eine Startup Datenbank mit an indischen Fachkräften interessierten Startups auf. Geplant ist zukünftig  auch die Einrichtung eines Jobportals auf der GINSEP Plattform (www.ginsep.co), auf dem deutsche Startups aus dem Partnernetzwerk gezielt Stellenangebote für indische Fachkräfte annoncieren können. Das Projekt arbeitet hierfür eng mit zwei deutschen Startups aus dem Personalbereich zusammen – CASE und meetra.


Es gibt momentan ungefähr 20.000 Colleges, 42 zentrale Universitäten, 275 staatliche Universitäten, 130 anerkannte Universitäten und 93 Institute von nationaler Bedeutung im indischen Hochschulsystem. Gleichzeitig gibt es eine Vielzahl an Abschlüssen, die den deutschen nicht immer ähnlich sind. Deutschen Unternehmen und Startups fällt es oft schwer, indische CVs zu verstehen: Eine Voraussetzung dafür, sich mehr Zeit für die besten Talente zu nehmen. Um dieses Problem anzugehen und Abschlüsse vergleichbarer zu machen, hat das deutsche Startup CASE 2018 begonnen basierend auf einer umfassenden Auswertung von Zulassungstests eine neue Bildungsdatenbank zu etablieren, die es erlaubt indische Kandidaten aus technischen Studiengängen automatisiert einzuschätzen. Bisher standen HR-Abteilungen vor allem Rankinginformationen der verschiedenen Indian Institutes of Technology zur Verfügung, die jedoch nur 0,5% der indischen Hochschulen ausmachen. Mit der neuen CASE India Datenbank ändert sich dies jedoch und es werden auf einen Schlag 14.603 Abschlüsse aus den Bereichen IT, Ingenieurwesen und Naturwissenschaften vergleichbar.


Aber was steckt genau dahinter? Die Einschreibung für technische Studiengänge erfordert in Indien das Ablegen eines Zulassungstests (z.B. JEE-Mains), der einer Abiturprüfung in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften ähnelt und 6 Stunden (JEE-Mains) andauert. Die Prüfungsergebnisse sind vergleichbar und garantieren, trotz unterschiedlicher Kastenbeschränkungen, eine relativ faire Zuteilung. Beliebte und kompetitive Hochschulen sind in Indien häufig um ein Vielfaches (5-10-mal) selektiver als vergleichbare westliche Institutionen. Am Christian Medical College in Indien werden beispielsweise nur 0,25% zugelassen; im Vergleich liegt bei den amerikanischen Ivy-League-Universitäten die Quote zwischen 5% und 14%. Eine Bewerbung aus diesem Kandidatenkreis ist folglich eine große Chance hervorragende Mitarbeiter*innen zu finden. Auch andere Länder hat CASE bereits erfolgreich in die Datenbank integriert. Zu diesen gehören Deutschland, Großbritannien, Spanien, Italien und Portugal. 


Denkbar wäre in der Zukunft auch eine Integration der Datenbank CASEs in das geplante GINSEP Jobportal als vorgeschaltetes Scoring System für die Bewertung von indischen Bewerbungen, um Startups und Unternehmen so eine Informationsgrundlage für die Einstellungsentscheidung zu liefern.


Aber nicht nur indische Abschlüsse bleiben für viele Unternehmen und Startups undurchsichtig. Insbesondere kulturelle Barrieren sind oft Gründe, die dazu führen, dass indischen Kandidaten im Bewerbungsprozess nicht berücksichtigt werden. Sich dieser Problematik bewusst, haben Dr. Christoph Senft und Jana Köhler 2017 meetra ins Leben gerufen. meetra bietet eine online Plattform, auf der sich internationale Fachkräfte zu Bewerbungsprozessen und Einstiegsmöglichkeiten in Deutschland informieren und beraten lassen können. Darüber hinaus unterstützt das Startup auch Unternehmen bei der Suche nach geeigneten Talenten und arbeitet eng mit Universitäten zusammen. In interaktiven Workshops teilt das Startup Wissen und praktische Erfahrungen zu interkulturellen Aspekten bei der Arbeit mit internationalen Studierenden sowie über die Bildungslandschaft Indiens. Die Überbrückung von kulturellen Barrieren ist dabei fester Bestandteil der Arbeit meetras. Im kommenden Jahr werden GINSEP und meetra eine Workshopreihe veranstalten, um deutsche Startups für die Einstellung von indischen Fachkräften zu gewinnen. Teil der Workshops werden auch Matchmaking-Formate sein, die indische Fachkräfte mit potenziellen deutschen Arbeitgebern aus dem Startup Ökosystem zusammenbringen sollen. Darüber hinaus arbeitet meetra eng mit Universitäten zusammen.


Während Initiativen wie diese indische Fachkräfte auf den Radar deutscher Unternehmen bringen, steht Deutschland jedoch noch ein langer Weg bevor bis es soweit ist, dass internationale Bewerbende die gleichen Chancen haben wie Inländer. Da Intelligenz und Fähigkeiten jedoch überall auf der Welt vorkommen, ist es neben einem klaren Gebot der Fairness auch im Interesseder Unternehmen und Startups sich über die richtige Einschätzung internationaler Lebensläufe Gedanken zu machen und kulturelle Besonderheiten als Zugewinn und Vorteil zu sehen.

 

Über GINSEP

The German Indian Startup Exchange Program (GINSEP) is a non-monetary platform initiated by the German Startups Association and supported by the German Federal Ministry for Economic Affairs and Energy (BMWi) to strengthen and foster exchange between India and Germany in the startup space and support Indian and German startups in their efforts to gain access to the respective other market.

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