Das Selbstbild der Mitarbeiter

12.02.2021 | Dominic Bönisch & Sina Beck

Joblocal Selbstbild der Mitarbeiter
Quelle: © joblocal

So prägt es Ihr Unternehmen

Agilität liegt im Trend – immer mehr Unternehmen setzen auf Werkzeuge wie Scrum oder Design Thinking, um innovative neue Produkte zu entwickeln oder schneller und flexibler auf Marktveränderungen zu reagieren. Der Faktor Mensch jedoch wird dabei häufig vernachlässigt, kritisiert Dominic Bönisch, Geschäftsführer des bayerischen Unternehmens joblocal: „Agilität ist zum Scheitern verurteilt, wenn die Einstellung der Mitarbeiter nicht stimmt.“ Jahrelang habe er dies selbst unterschätzt, sagt er. Inzwischen ist das Thema Agilität bereits im Recruiting ein entscheidender Faktor für ihn.

Unser Selbstbild prägt ganz wesentlich die Art und Weise, wie wir arbeiten, handeln und Herausforderungen begegnen. Doch: Wie findet ein Unternehmen Mitarbeiter, die flexibel auf Veränderungen reagieren und Probleme als Chance zum Wachstum sehen?

Joblocal Selbstbild der Mitarbeiter Dart
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Wir haben uns als Organisation in den letzten 10 Jahren Stück für Stück weiterentwickelt und mussten dabei immer häufiger flexibel auf die Veränderungen der Märkte reagieren. Auch wenn sich die Strategien und Strukturen verändert haben, bilden unsere Core Values seit jeher das Grundgerüst, sozusagen unsere DNA, an der sich die Mitarbeitenden orientieren können.

"Dennoch haben wir festgestellt, dass dies alleine nicht ausreicht“, berichtet Bönisch. „Strukturen sind meist das Erste, das angepackt wird – weil Änderungen hier so schön und schnell sichtbar sind – aber oft auch das, was am wenigsten nachhaltige Wirkung zeigt. Das Mindset und das Individuum werden hier häufig vernachlässigt und Veränderungen können somit nicht nachhaltig getragen werden.“

2018 kam Sina Beck als Head of People & Culture ins Unternehmen.

„Die Entscheidung hierfür beruht auf mehreren Faktoren: Zum einen bewegen wir uns in der spannenden HR Tech-Branche und haben ein Kundenumfeld, dessen Ansprechpartner HRler sind. Zum anderen haben wir die Mitarbeitenden noch mehr in den Fokus gerückt, da wir sie als den entscheidenden Faktor für den Wirkungsgrad und auch Erfolg eines Unternehmens sehen. Wir wollten also gleichermaßen, leben was wir empfehlen und gezielt People & Culture mit starkem Fokus entwickeln.“

Growth Mindset: »Man kann (fast) alles lernen«

Dabei stützt sich Joblocal auf die Erkenntnisse der amerikanischen Psychologin Carol Dweck. Diese unterscheidet zwei Arten von Selbstbildern:

Fixed Mindset: Menschen mit einem statischen Selbstbild glauben, dass Talente naturgegeben und unveränderlich sind. Typische Aussagen von Menschen mit dieser Denkweise sind: Ich bin unmusikalisch oder Das konnte ich noch nie. Diese leistungsorientierten Menschen messen ihren Selbstwert daran, was ihnen leicht von der Hand geht und arbeiten, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen und um positives Feedback zu bekommen. Fehlverschläge verunsichern sie zutiefst, weil sie an ihrem Talent zweifeln lassen – deshalb meiden sie Herausforderungen.

Growth Mindset: Menschen mit einem dynamischen Selbstbild hingegen gehen davon aus, dass sie alles lernen können, wenn sie sich nur ausreichend anstrengen. Sie schätzen Herausforderungen als Möglichkeit zu wachsen und versuchen aus ihren Fehlern zu lernen. Sie streben danach, immer besser zu werden, persönlich und mental zu wachsen und sich mehr Wissen anzueignen.

Das Growth Mindset im Recruiting

„Für uns ist es wichtig, schon beim Recruiting eine Idee davon zu bekommen, ob jemand ein Growth Mindset mitbringt und sich somit kulturell gut in unserer Organisations- und Führungskultur zurecht findet”, erklärt Beck. Auch wenn ein Recruitingprozess nie 100% Vorhersagbarkeit für Passung und Erfolg gewährleistet, versuchen wir, über diese Schritte eine Annäherung zu erreichen und weg vom „Bauchgefühl” zu kommen:

  • Die Candidate Persona: People & Culture hat eine Persona entwickelt, die die Eigenschaften, Motive, Antriebe und Vorlieben formuliert, die ein Mitarbeitender idealerweise mitbringen sollte. Der sogenannte „Employpreneur“, also eine Mischung aus Employee und Entrepreneur, sollte Lust auf Herausforderungen haben, offen für Veränderungen sein und gerne Verantwortung übernehmen. Er sucht ein Umfeld, in dem flache Hierarchien herrschen, er sein Potenzial entfalten und sich weiterentwickeln kann.
  • Die Stellenausschreibung: Neben Fachkompetenz sind auch Persönlichkeitsmerkmale Teil einer Stellenausschreibung von Joblocal: „Du glaubst nicht, dass Du alles kannst, aber Du hast den Willen und die Überzeugung, dass man (fast) alles lernen kann“, heißt es etwa in der Ausschreibung für die Position der Marketingleitung. Und: „Du hinterfragst den Status Quo und bist bereit, aus alten Mustern auszubrechen.“
  • Der Interviewleitfaden: Im Interviewprozess versuchen alle Beteiligten (People & Culture, Fachbereich, Kollegen, etc.), auf Formulierungen zu achten, die das Selbstbild der Person offenbaren. Ein Bewerber mit einem statischen Selbstbild würde seinen Werdegang passiver beschreiben („ich war in der Schule schlecht, weil die Lehrer mich nicht mochten“) als jemand mit einem dynamischen Selbstbild („ich habe mich in der Schule nicht genug angestrengt“). Zur Orientierung dient ein Interviewleitfaden. Wichtig: Dabei gibt es kein Richtig oder Falsch und die Antworten sind jeweils nur Hinweise, nie aber ein eindeutiges Merkmal für das Growth Mindset einer Person.
  • Der Schnuppertag für Bewerber: Durch einen Probetag im Unternehmen können Bewerber und Mitarbeitende sicherstellen, dass Persönlichkeit und Unternehmenskultur harmonieren, bevor der entscheidende und wichtige Schritt eines Jobwechsels gegangen wird.
Joblocal Selbstbild der Mitarbeiter Meeting
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Mit diesen Maßnahmen zielen wir auf eine sehr spitze Bewerber-Zielgruppe – dies nehmen wir aber bewusst zugunsten einer dafür langfristig erfolgreichen und fruchtbaren gemeinsamen Zusammenarbeit in Kauf“, gibt Beck zu. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass eine vakante Position unter Umständen lange unbesetzt bleibt, da die richtige Person noch nicht gefunden wurde:

„Wenn die Hütte brennt und dringend Unterstützung benötigt wird, wird das schnell zur Belastungsprobe für die betroffenen Mitarbeitenden“, ergänzt Bönisch. „Langfristig aber hat sich diese Strategie durchaus bewährt.“

Das Growth Mindset in der Organisationsentwicklung

Diese Maßnahmen beziehen sich ausschließlich auf den Selektionsprozess – wie aber wird Lebenslanges Lernen bei bestehenden Mitarbeitern gefördert und weiterentwickelt? „Wir haben erst nach 8 Jahren den Fokus auf dieses Thema gelegt, insofern mussten wir sicherstellen, auch die bestehenden Mitarbeiter an Bord zu holen“, erklärt Beck. Die Methode orientiert sich an folgenden Punkten:

  • Schulung: Zunächst wurden die Führungskräfte geschult und darauf vorbereitet, ein flexibles Selbstbild bei ihren Mitarbeitenden zu fördern. Das Konzept des Growth Mindsets wurde erläutert und die Auswirkungen für das „neue” Führungsverständnis aufgezeigt.
  • Leitfaden: Für die wöchentlichen Team-Gespräche wurde ein Leitfaden auf Basis des Sharing, Caring und Coaching entwickelt, der Führungskräften als Inspirationsquelle dient. Mit diesen Fragen sollen die Führungskräfte ihre Mitarbeitenden dazu ermuntern, ihren Einflussbereich zu nutzen und eigene Lösungen zu entwickeln.
  • Knowledge-Sharing: Die sogenannten Knowledge-Sharing-Abende sind für alle da: Ein Mitarbeiter stellt sein Spezialgebiet oder ein Projekt vor, an dem er oder sie gerade arbeitet. Beim Thema „Machine Learning Abend“ gab beispielsweise der Spezialist anderen die Möglichkeit selbst etwas zu programmieren.
  • Arbeitgeberversprechen: Darüber hinaus wurde mit Learn.Grow.Succeed ein Arbeitgeberversprechen entwickelt, das Einfluss auf die gesamte Kultur nimmt. Bönisch: „Dieses Versprechen ist gleichermaßen als Aufruf für alle Mitarbeitenden zu verstehen, sich aktiv einzubringen, zu lernen, an ihren Herausforderungen zu wachsen und damit gemeinsam zum Erfolg zu kommen: If you grow, we grow! Das Arbeitgeberversprechen ist heute zentraler Bestandteil der Employer Brand und u.a. auf joblocal.de/joblocal-karriere ausführlicher erläutert.“

Beispiel: Immer bei sich selbst anfangen

Zur Verdeutlichung hier ein Beispiel: Die Mitarbeitenden verstehen die neue Strategie der Führungskräfte nicht. Mögliche Sichtweisen:

  • Fixed Mindset: „Die Mitarbeiter sind schuld.“
  • Growth Mindset: „Was kann ich ändern, damit die Mitarbeitenden die Strategie besser verstehen?Was kann ich das nächste Mal besser machen? Wie kann ich besser kommunizieren?”
Joblocal Selbstbild der Mitarbeiter Meeting Kollegen
Quelle: © joblocal

Ob sich das Selbstbild, die Einstellung und Überzeugung der Mitarbeitenden tatsächlich von außen verändern lässt? „Natürlich ist das ein jahrelanger Prozess, der auch bei Joblocal noch lange nicht abgeschlossen ist.“, so Bönisch. „Nicht alle Mitarbeitenden fanden sich in diesem Konzept wieder, sodass uns vereinzelt auch Mitarbeitende im Zuge der Neuorientierung verlassen haben. Insgesamt aber haben wir die Erfahrung gemacht, dass wir durch diese Maßnahmen die Unternehmenskultur schon positiv verändern konnten. Wir sind überzeugt, dass es für die einzelnen Mitarbeitenden viel erfüllender ist, mit hoher Eigenverantwortung an etwas Sinnvollem zu arbeiten.“

Über die Autoren

Foto von Dominic Bönisch

Dominic Bönisch ist Gründer und Geschäftsführer der joblocal GmbH – Tochter der Funke Medien Gruppe. Nach über 10 Jahren Business mit regionalen Online-Jobportalen hat er viel über Recruiting gelernt. Lange war HR für ihn ein "macht man halt". Größte Erkenntnis bisher: Das war ein Fehler. Gute HR-Strategiearbeit und der Faktor Mensch sind mittlerweile das, was für ihn zählt und täglich antreibt.

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Für Sina Beck, Head of People & Culture und Senior HR Business Partner bei joblocal, steht HR für Human Relations. Exzellenz in Basis- und Kernthemen ist für sie dabei die Grundvoraussetzung, um einen Nährboden des Vertrauens zu ermöglichen – für die allgemeine Organisationsentwicklung und eine führende Rolle bei der Befähigung und Begleitung von Unternehmen und Mitarbeitenden in New Work-Zeiten.

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