Wie HR Technologie und Empathie verbindet
20.11.2025 | Alexis Seyfried
HR erlebt derzeit einen leisen, aber tiefgreifenden Wandel. Quer durch alle Branchen sollen Teams kleiner, Abläufe schlanker und Systeme integrierter werden. Laut einer aktuellen Studie von Remote haben inzwischen 87 % der global agierenden Unternehmen HR-Teams mit weniger als zehn Mitarbeitenden. In Deutschland sollen 60 % der Routineaufgaben bis 2026 automatisiert sein. Künstliche Intelligenz übernimmt jetzt schon in großen Teilen den administrativen Ballast: Payroll, Zeiterfassung, Compliance.
Dadurch entsteht Freiraum für das, was keine Maschine leisten kann: strategisches Denken, kulturelle Arbeit, Talententwicklung. Und auch wieder mehr Raum für das, was HR im Kern ausmacht: Empathie. Doch wie entwickelt sich menschliche Empathie, wenn KI immer besser lernt, Gefühle zu erfassen und kontextsensitiver zu reagieren?
Der Mensch als Dirigent
Vor fünf Jahren war globales Recruiting für viele Unternehmen kaum denkbar. Unter anderem, weil Unternehmen sich mit aufwendigen Tabellenkalkulationen, mehreren Anbietern und oft komplexen Steuergesetzen auseinandersetzen mussten. Heute steuern selbst kleine HR-Teams internationale Einstellungen über fünf, zehn oder zwanzig Märkte hinweg. Das Geheimnis liegt nicht in Überstunden oder Multitasking, sondern in Integration. Wenn Gehaltsabrechnung, Compliance, Sozialleistungen und Mitarbeiterdaten vernetzt sind, ist Teamgröße kein begrenzender Faktor mehr.
Personalabteilungen stehen heute vor anderen Herausforderungen und unter mehr Druck denn je: 78 % der Befragten berichten, dass es schwieriger geworden ist, qualifizierte Fachkräfte im eigenen Land zu finden, und ebenso viele kämpfen international mit denselben Engpässen. Doch auch von intern steigt der Druck, vorallem beim Thema Gehalt. 83 % der Unternehmen erleben stärkere Forderungen nach Gehaltserhöhungen aufgrund gestiegener Lebenshaltungskosten.
Trotz dieser Herausforderungen muss HR nicht lauter werden oder lauter betonen, wie wichtig Menschlichkeit ist, um nicht von Technologie ersetzt zu werden. Sondern einen Schritt zurückzutreten und statt das ganze Orchester zu bespielen, zum Dirigenten werden. Die KI sollte dabei nicht die Hauptrolle spielen, sondern zum stillen Begleiter, zum Sparringpartner werden.
KI als Sparringpartner
Durch die rapiden Fortschritte moderner Technologie bedeutet Empathie heute nicht mehr nur zuzuhören oder zu verstehen. Sie verlangt die Fähigkeit, Perspektiven zu wechseln, Ambivalenz auszuhalten und sich selbst infrage zu stellen. Sie heißt, Technologie nicht als Konkurrenz, sondern als Spiegel zu begreifen. KI macht sichtbar, wo Routinen stumpf geworden sind, und zwingt uns, neu zu lernen und zu überdenken, was „menschlich sein“ bedeutet. Echte Empathie ist nicht Reaktion, sondern Reflexion.
KI kann Bewerbungen vorsortieren, Erkenntnisse aus Einstellungsentscheidungen sichtbar machen und Gesprächsverläufe simulieren, um Bias zu reflektieren. Gleichzeitig wird klar, dass Technologie kein Selbstläufer ist. Mehr als ein Drittel (37%) der großen Unternehmen haben ein KI-Tool im Recruiting wegen Zweifeln an Fairness oder Wirksamkeit wieder abgeschafft. Das unterstreicht, wie wichtig ethische Steuerung ist.
HR wird dadurch zum doppelten Akteur – strategischer Partner und moralischer Kompass zugleich. Der Einsatz von KI verändert nicht nur, wie Arbeit organisiert wird, sondern auch, wie Vertrauen entsteht. Wenn Entscheidungen zunehmend datenbasiert getroffen werden, ist Empathie und kritisches Hinterfragen der Faktor, der dafür sorgt, dass sie akzeptiert werden. Menschen spüren, ob Technologie gegen oder für sie arbeitet.
Das HR-Team der Zukunft
Lange Zeit konnten es Unternehmen sich leisten, beim Thema Technologie abzuwarten und zuzusehen. Doch so wie Organisationen gelernt haben, „digital-first“ oder „remote-first“ zu denken, müssen sie heute „AI-ready“ und „compliance-ready“ werden. Das bedeutet auch, Regularien zu verstehen und Risiken vorzubeugen. Laut unserer aktuellen Umfrage haben 74 Prozent der Unternehmen bereits internationale Compliance-Herausforderungen erlebt, mit durchschnittlichen Kosten von bis zu 42.000 US-Dollar pro Vorfall. Wer hier zu spät reagiert, büßt doppelt ein: Geld und
Vertrauen. Was kann HR als tun, um sich bereit für die Zukunft zu machen?
Die Grundlage schafft eine integrierte und holistische HR-Plattform, die Gehaltsabrechnung, Zeiterfassung, Benefits und Compliance zentral verbindet. Nur so können Prozesse fließen und Entscheidungen datenbasiert getroffen werden. Regelmäßige Technologie-Audits zeigen, wo Medienbrüche oder manuelle Arbeitsschritte den Fortschritt bremsen. HR braucht zudem ein dynamisches Framework, das länderspezifische Risiken überwacht und rechtzeitig auf neue Vorschriften reagiert. Mitarbeitende müssen über lokales Arbeitsrechts- und Datenschutzwissen verfügen, während digitale Frühwarnsysteme Prävention statt Reaktion ermöglichen. In Bezug auf KI sollten HR-Teams verstehen, wie Algorithmen funktionieren und wo ihre Grenzen liegen. Schulungen zu Datenkompetenz, Bias-Erkennung und „Human-in-the-loop“-Prozessen sind zentral, ebenso wie ethische Leitlinien, die Transparenz sichern und klären, wann KI Entscheidungen treffen darf und wann menschliches Urteil gefragt ist.
Die Zukunft der Personalarbeit wird weder rein datenbasiert noch rein auf Emotionen ausgerichtet sein. Sie liegt im Zusammenspiel – in der Fähigkeit, technologische Systeme mit menschlicher Intelligenz zu verbinden. Das HR-Team von 2026 ist klein, aber strategisch; datenbasiert, aber empathisch; global, aber nahbar. Es denkt von Anfang an integriert und arbeitet mit einem klaren Tech-Stack. Das stille Orchester moderner Arbeit braucht Führung. Und HR ist der Dirigent, der bestimmt, wann die KI zum Einsatz kommt und wann sie schweigt.
Über den Autor
Alexis Seyfried
Alexis Seyfried ist Senior Manager, Regional Marketing EMEA, bei Remote und unterstützt Unternehmen dabei, ihr Wachstum durch globale Teams zu beschleunigen. Mit über 15 Jahren Erfahrung im SaaS-Marketing bringt er tiefes Verständnis für internationale Märkte und modernes Employer Branding mit. Getreu dem Motto „Talente sind überall, Chancen nicht“ setzt er sich dafür ein, Arbeit für alle zugänglich zu machen. Ganz unabhängig davon, wo Menschen leben.