Outplacement neu gedacht: Perspektiven schaffen statt nur reduzieren
27.11.2025 | Robindro Ullah
Einleitung: Warum wir Personalabbau neu denken müssen
In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und struktureller Umbrüche kommt es in vielen Unternehmen zu Personalabbau. Doch anstatt Kündigungen als rein betriebswirtschaftlichen Vorgang zu betrachten, lohnt sich ein Perspektivwechsel: Personalabbau kann – richtig umgesetzt – zum Ausgangspunkt einer neuen, skillbasierten Arbeitswelt werden.
Generell ist davon auszugehen, dass bei erneutem Aufschwung der Wirtschaft ein stärkerer Mangel an Fachkräften einsetzen wird. Bereits nach der Pandemie haben wir es erlebt, wie sich ein sich zuziehender Arbeitsmarkt auf die Unternehmen auswirkt. Gehälter steigen, Projekte geraten ins Stoppen, Geschäfte müssen schließen – auf Grund von Personalmangel.
Deutlich wurde da auch, wer sich in der Phase der Pandemie auf Augenhöhe als Arbeitgeber bewegt hat, wurde nicht abgestraft.
Nun sind wir bereits wieder mitten in einer Krise, die das wahre Gesicht der Arbeitgeber offenbart. Die wenigsten fragen sich, wie sie sinnvoll abbauen können, so dass ggf. Boomerang-Hirings möglich sind und meine Top Personen, nicht von sich aus gehen.
Hinzu kommt die weiterhin bestehende Herausforderung, exakt passende Fachkräfte zu finden. Anforderungen an Qualifikationen verändern sich rasant. Klassische Berufsbilder reichen oft nicht mehr aus, um moderne Anforderungen zu beschreiben. Gleichzeitig wird deutlich: Der Arbeitsmarkt bleibt intransparent – insbesondere in Bezug auf Fähigkeiten (Skills) und Gehälter. Genau hier setzt ein daten- und skillbasierter Ansatz an, der bereits in der Rekrutierung an Bedeutung gewinnt – und sich ebenso auf den Personalabbau übertragen lässt.
Der Kern: Skillbasierung als Brücke zwischen Daten, Menschen und Märkten
Ein skillbasierter Ansatz ermöglicht es, verschiedene Datenquellen wie Stellenanzeigen, Statistikdaten und Arbeitsamtdaten sinnvoll zu verknüpfen. Der gemeinsame Nenner: Skills. Dank moderner KI Technologien, müssen Fähigkeiten in den Anzeigen gar nicht mehr klar beschrieben und strukturiert vorliegen. Mit moderner Technologie lassen sich Angebote und Nachfragen auf dem Arbeitsmarkt effizient matchen.
Exkurs: auch die Entwicklung der bestehenden Suchmaschinen in Richtung einer KI generierten Textantwort wird natürlich vor allem bei Stellenanzeigen in der Lage sein, diese unmittelbar in Skills zu übersetzen. Die Ankündigung von OpenAI Mitte 2026 eine Hiring Platform zu launchen, spricht genau diese Sprache.
Die Denkweise des Skill basierten Vorgehens lässt sich auch auf den Personalabbau übertragen: Unternehmen können zunächst die Fähigkeiten der von Kündigung betroffenen Mitarbeitenden analysieren. Auf dieser Basis lassen sich passende, externe Anschlussmöglichkeiten identifizieren – oft sogar dort, wo eine klassische Profilsuche scheitern würde. Denn viele Unternehmen verwenden für identische Skillsets ganz unterschiedliche Jobtitel und häufig auch unnötig komplexe Anforderungsbeschreibungen. Auch Skill-Gaps können so identifiziert werden und klare Entwicklungswege in offene Positionen in anderen Unternehmen (oder auch im eigenen Unternehmen) aufgezeigt und mit Trainings hinterlegt werden.
Gleichzeitig lassen sich mit Skill-Daten Gehaltsinformationen (sofern verfügbar) einbeziehen sowie die Wettbewerbssituation am Markt abschätzen: Wie viele Menschen mit ähnlichem Profil konkurrieren aktuell um diese Position? Auch das hilft, realistische Perspektiven zu entwickeln – für Unternehmen wie Mitarbeitende.
Ausblick: Skill Matching als Basis für nachhaltige Transformation
Der Übergang in eine skillbasierte Denkweise hat nicht nur Vorteile im Rekrutierungsprozess. Auch beim Personalabbau schafft er Fairness, Transparenz und konkrete Perspektiven. Betroffene Mitarbeitende können gezielt in Weiterbildung investieren – orientiert an jenen Skills, die in aktuellen Jobangeboten gefragt sind. Tools, die Matching auf Basis von Teilübereinstimmungen ermöglichen (z. B. 70 %, 80 % Match), helfen dabei, konkrete Entscheidungen zu treffen: Welche Weiterbildung lohnt sich? Welcher Job bietet nicht nur Passung, sondern auch attraktive Rahmenbedingungen?
Umso überraschender ist es, dass große Teile des deutschen Arbeitsmarkts noch immer sehr grob strukturiert sind – mit überladenen Stellenanzeigen, vagen Anforderungsprofilen und wenig Transparenz. Dabei zeigen erste Unternehmen und Konzerne bereits, wie es besser geht.
Bessere Vorbereitung auf den Personalabbau
Mit den angesprochenen Daten und Technologien können nun ganz konkrete Empfehlungen und Einschätzungen erfolgen. So können Mitarbeitende, die vom Abbau betroffen sind, kategorisiert werden. Ihre Chancen am Arbeitsmarkt lassen sich in genaue Zahlen gießen, so dass klar wird, welche Gruppe welche aktuellen Chancen hat. Daran gekoppelt lassen sich Entwicklungsmaßnahmen identifizieren, die in konkrete Bewerbungen bei anderen Unternehmen münden können, die derzeit entsprechende Skillsets (Stellenanzeigen) ausschreiben.
Nehmen wir den Chancen Index (Quelle: www.mein-chancen-check.de), der sich im Wesentlichen aus Angebot und Nachfrage zusammensetzt, so liegt dieser bei einer_m Ingenieur/in - Luft- und Raumfahrttechnik bei 8,5 von 10. Dabei drückt die Skala von 1 bis 10 aus, wie gut die Chancen stehen, eine Anschlussposition am Arbeitsmarkt zu finden. 10 wäre der einfachste Fall wohingegen bei 1 ggf. eine Umschulung oder andere Entwicklungsmaßnahmen besprochen werden sollten.
Chancen Index für Ingenieur/in - Luft- und Raumfahrttechnik
Auch das potenzielle Gehalt lässt sich einschätzen, was eine entscheidende Information für Mitarbeitende ist. Natürlich hinkt Deutschland im internationalen Vergleich noch hinterher, was die Gehaltstransparenz angeht, so dass die Daten nicht immer das gesamte Spektrum abdecken. Aber gehen wir in unser Beispiel, dann sehen wir, dass aktuell am Markt 95 Ausschreibungen zu dem gesuchten Skill Profil passen. Von diesen 95 Ausschreibungen beinhalten 28 eine Gehaltsangabe, was uns zu einem Median Gehalt von 63.000 € führt. Allein diese Informationen und diese Transparenz einer_m vor dem Abbau stehenden Mitarbeitenden an die Hand zu geben, gibt nicht nur eine neue Perspektive, sondern auch konkrete Ansatzpunkte für die zukünftige Karriere.
Aber auch die Unternehmensperspektive kann hierdurch besser gesteuert werden. Die Kategorisierung hilft bei allen Steps und auch Gesprächen mit den jeweiligen Mitarbeitenden. Der interne Effekt sollte nicht unterschätzt werden, denn "vor die Tür stellen" und "aus den Augen aus dem Sinn", hilft weder beim Boomerang Hiring noch im Bereich Retention, denn bestehende Mitarbeitende werden das mitbekommen. Je nach Situation, in der sich das jeweilige Unternehmen befindet, trifft es nicht immer die Personen, die schon länger auf der "Liste" stehen. Betriebszugehörigkeit, Sozialauswahl und viele weitere Faktoren tragen zu den Entscheidungen bei.
Gerade auch im Bereich der Massenentlassungen kann man als Unternehmen nachhaltig sein Arbeitgeberimage beschädigen.
Es ist ein sehr unliebsames Thema - nahezu ein Tabu Thema. Die aktuelle Lage am Arbeitsmarkt ist nicht rosig und dennoch ist LinkedIn nach wie vor voll von Held_innen Geschichten und Rosa-Roten Brillen. Blickt man in einige Unternehmen tiefer Hinein, sieht man, dass in relevanten Größenordnungen Personen abgebaut werden. Die globale politische Lage ist ungewiss und hat damit natürlich Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Verschiebung in der Automobilindustrie in Richtung Asien fodern ebenfalls ihren Tribut.
Betrachten wir aber die Posts auf Social Media, sind wenig Themen zu sehen. Daher greifen wir das unliebsame Trend Thema in diesem Beitrag auf.
Über den Autor
Robindro Ullah
Robindro Ullah ist geschäftsführender Gesellschafter der Trendence Institut GmH und Experte im Bereich Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting. Vor seinem Wechsel zu Trendence war er Geschäftsführer sowie Herausgeber von „hr|tomorrow exclusive“, Deutschlands erstem HR Trend-Magazin. Davor arbeitete Robindro Ullah unter anderem beim Heidenheimer Technologiekonzern Voith GmbH als Leiter Globales Employer Branding, Recruiting und HR Communication. Er war außerdem Leiter Personalmarketing und Recruiting Süd bei der Deutschen Bahn AG. Robindro Ullah ist seit Jahren gefragter Speaker und Moderator bei diversen Fachkonferenzen. Der Diplom-Wirtschaftsmathematiker ist auch Buchautor (u. a. Praxishandbuch Recruiting, Erfolgsfaktor Candidate Experience). Zudem ist er einer der führenden Podcaster u.a. mit den Podcasts Zielgruppengerecht, HR TEC Talk sowie HR Pitch Podcast und WORKolution.