Einmal aufladen, bitte: Selbstfürsorge ist nicht egoistisch, sondern gesund!

27.07.2020 | Gina Schöler

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Henne oder Ei: Muss man selbst glücklich sein, um andere glücklich zu machen oder verhält es sich andersrum?

Diese Frage kann jeder nur für sich selbst beantworten, denn dies ist sehr individuell und auch abhängig von Charaktereigenschaften und der jeweiligen (Lebens)Situation. Da ich Tag ein Tag aus mit dem Thema Glück zu tun habe und es mir unfassbar viel Spaß macht, zu geben und zu helfen, lautet bei mir erst recht das Motto: „Fill your cup first.“ Was das bedeutet und wie es funktioniert, darum geht es in diesem Artikel!

Es ist ein wirklich wunderbares Gefühl, wenn wir für andere etwas Gutes tun können. Wie wir angestrahlt werden, wenn wir jemandem ein Geschenk machen, die Kollegen bei der schwierigen Aufgabe unterstützen oder im Verein aushelfen – pure Freude, die dabei auf uns überschwappt. Sich um andere zu kümmern und zu sorgen gibt auch uns selbst einen ganz persönlichen Glücksboost und steigert somit das seelische Wohlbefinden. Wir haben das Gefühl, Teil des Ganzen zu sein, wahrgenommen und gebraucht zu werden, klar ist das glücksbringend und daher sehr verlockend!

Auch unser körperliches Wohlbefinden profitiert davon. So zeigen Studien, dass beispielsweise ehrenamtlich Tätige weniger mit physischen Beeinträchtigungen zu kämpfen haben (1). Fürsorge für jemand anderen zu tragen bedeutet, Verantwortung für eben diese Person zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass es ihr gut geht. Als Menschen in sozialen Gefügen kümmern wir uns gerne um andere, wie unsere Familie, Freunde, Arbeitskollegen, aber auch um Fremde.

Daneben ist unser Alltag noch mit ganz vielen anderen Dingen gefüllt: Wir gehen arbeiten, schmeißen zwischen unseren Erledigungen und Meetings den Haushalt, gehen unserem außergewöhnlichem Hobby – oder dem besagten Ehrenamt – nach und wollen es letzten Endes allen und auch uns selbst recht machen. Manchmal sind wir jedoch so beschäftigt mit dem Außen und mit anderen, dass wir vergessen, uns um eine sehr wichtige Person zu kümmern: Nämlich um uns selbst.

Und genau das ist Selbstfürsorge: Für sich zu sorgen, gut mit sich umzugehen und Zeit für sich selbst einzuräumen.
Self-Care, wie es im Englischen heißt, kommt gerade in der heutigen schnelllebigen Zeit oft zu kurz – und ist deshalb vielleicht immer öfter in aller Munde. Doch was heißt das und wie geht es?

Für unser Wohlbefinden und auch das persönliche Glück ist es enorm wichtig, dass wir innehalten und überprüfen, wie es um unser Energielevel steht. Denn wenn wir zu sehr versuchen, unserer Umfeld zu unterstützen, immerzu geben und helfen, und zu sehr mit dem Außen beschäftigt sind, laufen wir Gefahr, auszubrennen. Daher ist es essentiell, dass wir auf unsere eigenen Bedürfnisse achten und uns selbst nicht vergessen und vernachlässigen. Und das schaffen wir, indem wir uns bewusst Zeit für uns nehmen, auf unsere Ressourcen achten und gegebenenfalls und auch mal rausziehen.

Wir sollten uns daher im ersten Schritt um uns selbst kümmern, bevor wir anderen etwas weitergeben und ihnen Kraft spenden können. Woher sollen wir sonst die Kraft aufbringen?

Durch das symbolische Auffüllen unseres Bechers, unseres Töpchens, tanken wir Energie, stärken uns selbst, können mit voller Kraft durchstarten und andere daran teilhaben lassen. 

Fragt euch einmal selbst:

  • Wie geht ihr mit euch um?
  • Was macht ihr, um Kraft zu tanken?
  • Mit welchen Mitteln und Methoden kümmert ihr euch um euch selbst?

Die Antworten sind mit Sicherheit kunterbunt gemischt und jeder hat für sich seine eigenen Rituale, Taktiken und Vorlieben zur Selbstfürsorge.

Wichtig ist nur, dass ihr sie auch in die Tat umsetzt und diesem relevanten Thema hohe Priorität zuschreibt!
Kneifen ist nicht und verschieben tut dem Glück auch nicht gut. Wenn ihr leer seid, nicht in eurer Kraft seid, wenn das Geben und Nehmen nicht in Balance ist, ist das nicht nachhaltig und gesund, für niemanden.

Das muss auch erst einmal gar nichts Großes sein:
Für manche ist es, sich am Tag 8 Stunden Schlaf zu gönnen, für andere die Meditation in der Mittagspause und für wieder andere, dass sie vorm Schlafengehen ein paar Zeilen im Lieblingsbuch schmökern. Auch ich habe mir über die Zeit ein paar Techniken angeeignet, wie ich mich im Alltag darum kümmere, mich wohlzufühlen. Dennoch funktioniert das auch nicht immer so gut. Zwischen all den Aufgaben, den Videokonferenzen, die gehalten, den Events, die organisiert und den Artikeln, die geschrieben werden wollen, und natürlich das E-Mail-Postfach, das bei mir chronisch überläuft, vergesse ich oft, mich rauszunehmen und mir Zeit für mich einzuräumen. Manchmal fällt mir das leichter, manchmal schwerer. Aber ich lerne immer mehr, in mich reinzuspüren, auf meine Bedürfnisse zu achten und liebevoll mit mir umzugehen. Und ganz wichtig: Das auch richtig nach außen zu kommunizieren und zu erklären. Das Verständnis ist riesig und so können wir uns gegenseitig inspirieren und daran erinnern, gut auf uns selbst zu achten. Denn diese Verhaltensweise uns selbst gegenüber brauchen wir alle, um energiegeladen zu sein, unseren Alltag zu meistern, dabei glücklich zu sein und auch andere mit guten Gefühlen anzustecken.

Jeder ist seines Glückes...Chefkoch

An dem Sprichtwort “Jeder ist seines Glückes Schmied” steckt soviel Wahrheit: Wir alle wünschen uns ein zufriedenes Leben und machen uns daher Gedanken darüber, wie wir dieses erreichen können. Das eigene Wohlbefinden - ob mental oder körperlich -, Zufriedenheit in Lebensbereichen wie die Arbeit, soziale Kontakte und eben auch Selbstfürsorge spielen dabei eine unglaublich große Rolle. Glück ist so individuell wie wir alle; daher kann man es nicht suchen, sondern nur finden. Wie ihr sicher von mir wisst, bin ich der Meinung, dass es nicht das eine Patentrezept gibt. Denn jeder hat seine eigenen Vorlieben, seine Definition und lebt diese unterschiedlich aus.

Und hierbei ist eben jeder sein Glückes Schmied - oder eben Chefkoch: Die Grundnahrungsmittel im persönlichen Glücksrezept sind wichtig, aber die anderen Komponenten und Gewürze variieren je nach Geschmack.

Als Appetitanreger ermutige ich dazu, dass ihr verschiedene Zutaten ausprobieren, nach belieben würzen und somit euer individuelles Rezept entwickeln sollt. Studien zeigen, dass unsere Veranlagung zum Glücklichsein zur Hälfte von unseren Genen bestimmt wird. Äußere Umstände schlagen mit weiteren 10 Prozent zugute und ganze 40 Prozent haben wir selbst in der Hand! Also schwingt den Kochlöffel und ran an den Glücksbrei! Stellt euch vor, wie jeder von uns seinen eigenen Kochtopf hat und wieviel Freude es bereitet, andere zum Essen einzuladen, Rezepte auszutauschen, sich gegenseitig zu inspirieren und vor allem den Schmaus in Gesellschaft zu genießen. Hier kommt allerdings auch der Haken: Wenn der Kochtopf leer ist, bevor wir selbst satt sind, funktioniert es mit dem Glücklichsein und mit dem selbstlosen Helfen nicht mehr so gut. Daher ist es wichtig, sich gut um sich selbst zu kümmern und Selbstfürsorge zu zelebrieren.

Mein bester Freund bin ich: Wie wir Selbstfürsorge in den Alltag integrieren können

Ganz gleich, was im Außen gerade geschieht: Ob der Job viel verlangt, wir uns in ungünstigen Umständen befinden, es Streitigkeiten im Familien- oder Freundeskreis gibt, wir uns alleine fühlen oder die Gesundheit nicht mitspielt: ein Freund bleibt uns immer – und das sind wir selbst.

Genau das war auch eine meiner Haupterkenntnisse während einer persönlichen Krise vor einigen Jahren, aus der ich mit einem starken Satz herausgewachsen bin: „Ich bin meine Basis.“ Das bedeutet, dass, egal, was um mich herum geschieht, welche äußeren Einflüsse mein Leben und all die schön durchdachten Pläne durcheinander bringen, ich mich gut um mich sorgen und auf meine Gefühle und Bedürfnisse achten möchte und muss, um mit mir im Reinen und verbunden zu bleiben.

Indem wir uns selbst lieben und mit kleinen Mitteln Seelenhygiene betreiben, steigern wir unser Wohlbefinden und können im zweiten Schritt dann für andere da sein. Aufgetankt, strahlend und voller (Lebens)Freude. Selbstfürsorge hat also nichts mit Egoismus zu tun, sondern eher im Gegenteil – damit, Energie zu tanken und uns selbst zu stärken, damit wir mit voller Kraft durchstarten können. Wir betreiben Self-Care, indem wir genau in uns hinein hören und ganz liebevoll mit uns umgehen. Mit guten Freunden machen wir das auch – nur uns selbst stellen wir häufig hinten an. Wir denken, dass wir alles , sei es Job, Familie, Haushalt, Hobbies, unter einen Hut bekommen und dabei eine perfekte Figur abgeben müssen. Wenn es einem Freund von uns nicht gut geht, dann sind wir für ihn da; wir kümmern uns, hören zu, kaufen Leckereien ein, machen kleine Geschenke und tun einfach alles dafür, dass es ihm besser geht. Und genauso sollten wir auch mit uns umgehen. Kümmert euch also um euch, wie ihr es mit einem besten Freund tun würdet. Dasselbe gilt übrigens auch für die (Selbst)Kommunikation in Gedanken, denn auch hier reden wir oft schlechter mit uns als es uns gut tut.

Selbstfürsorge ist also eine Investition in das eigene Glück und muss dabei nicht als Wort in einem luftleeren Raum stehen, sondern kann schon durch ganz kleine Interventionen in die Tat umgesetzt werden. Ihr müsst dabei auch nicht auf den nächsten langen Urlaub warten, um endlich mal wieder zu entspannen und euch auf euch zu konzentrieren. Es geht vielmehr darum, es zu einem festen Bestandteil des Alltags und des eigenen Handelns werden zu lassen. Dafür sind die folgenden Tipps und Tricks als Anregung gedacht. Wie immer gilt: Probiert aus, zieht das heraus, was euch gut tun und erweitert das Repertoire nach Lust und Laune. Das Ziel ist es, dass ihr euren eigenen Weg findet, in euch hineinzuspüren und achtsam, verständnis- und liebevoll mit euch umzugehen. 

Booklet "Tipps zur Selbstführsorge" downloaden!

Die Ideen und Möglichkeiten sind vielseitig und abwechslungsreich, je nach Lust und Laune könnt ihr mal dies oder jedes ausprobieren und umsetzen. 

Gerne möchte ich euch noch eine kleine Idee zum Schluss mit auf den Weg geben, ganz nach dem Motto „Fill your cup first.“ Vielleicht kennt ihr ja die Übung des Glücksglases: Hier nimmt man ein großes Einmachglas zur Hand und schreibt kleine Glücksmomente auf Zettelchen, die man dann in dieses Glas füllt. So kann man es von Zeit zur Zeit zur Hand nehmen und die schönen Momente Revue passieren lassen. So erlebt man sie mehrfach und kann davon zehren. Dieses Prinzip können wir auch etwas abwandeln und uns verschiedene Ideen, wie wir uns etwas gönnen können, auf Zettel schreiben und sie in einem Behältnis sammeln. Wenn wir merken, dass unsere Batterie gerade flattert und wir eine kleine Seelenstreicheleinheit gebrauchen könnten, um wieder aufzuladen, ziehen wir per Zufall eines heraus und lassen uns überraschen, was wir uns Gutes tun können.

Nehmt euch selbst und euer Glück ernst und setzt es ganz oben auf die persönliche Prioritätenliste! Inspiriert eure Mitmenschen, in dem ihr vorlebt, wie es gut tun und funktionieren kann, sich selbst anzunehmen und gut für sich zu sorgen!


Quellen

1. https://www.augsburger-allgemeine.de/themenwelten/gesundheit/Helfen-foerdert-das-eigene-Wohlbefinden-id6946406.html

Über die Autorin

Gina Schöler, Glücksministerin
Gina leitet die bundesweite Initiative „Ministerium für Glück und Wohlbefinden“ und ruft mit bunten Aktionen und Angeboten dazu auf, das Bruttonationalglück zu steigern. Mit bunten Aktionen und Angeboten wie Workshops und Vorträgen regt sie alltagsnah, auf Augenhöhe und mit viel Spaß zum Umdenken an: Wie wollen wir leben und arbeiten? Was macht uns dabei glücklich?

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