KI in HR Analytics – wo und wann macht es Sinn? Marco Kainhuber im Interview

09.09.2019 | Marco Kainhuber

Quelle: Marco Kainhuber

Der Recruiting-Markt sehr vielschichtig und teilweise unübersichtlich.Heute ist KI auch im Recruiting unumgänglich. Neue Plattformen kommen permanent hinzu – unter anderem Produkte wie Facebook Jobs oder Google for Jobs. Diese setzen selbst KI ein. Marco Kainhuber ist geschäftsführender Gesellschafter der GermanPersonnel e-search GmbH. Als Impulsgeber für Innovationen im Data Driven Recruiting treibt er die digitale Transformation des HR-Marktes mit seiner Expertise voran. Im Interview spricht er über die Chancen von KI in HR Analytics.

1. Was verstehen Sie unter KI in HR Analytics und wie wird es HR in den nächsten Jahren verändern?

„KI in HR Analytics ist die intelligente und automatisierte Verarbeitung von Daten. Damit können HR-Prozesse optimiert und valide HR-Entscheidungen mit Hilfe intelligenter Assistenzsysteme getroffen werden. Ich denke in Zukunft werden noch viele innovative HR-Analytics-Produkte entwickelt werden. Denkbar sind KI-Lösungen, die das Unternehmen bei der Bewerberansprache und -auswahl, Interviews, Onboarding, Arbeitsalltag sowie Weiterbildung unterstützen. So kann KI unter anderem identifizieren, ob die Vorteile eines Arbeitsplatzes mit denen des Bewerbers übereinstimmen und optimal zum Arbeitswechsel animieren. Die Vorstellung von FAQ’s, Leitfäden und Weisungen durch Sprachassistenten sind Möglichkeiten, die den Onboarding-Prozess erleichtern. Gleichzeitig erleichtert KI die Früherkennung von Wechselwilligkeit vor der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, kann Ausfallzeiten schnell und zuverlässig erfassen sowie effizient nach Ersatz suchen. KI wird den kompletten Arbeitsalltag nachhaltig unterstützen, Prozesse vereinfachen und die Zusammenarbeit im Team effektiv unterstützen.“

"KI wird den kompletten Arbeitsalltag nachhaltig unterstützen, Prozesse vereinfachen und die Zusammenarbeit im Team effektiv unterstützen."

2. Thema Leadership: Werden wichtige Entscheidungen bald von Robotern übernommen? Läuft KI dem Faktor Mensch den Rang ab?

„Nein, absolut nicht. Gerade im HR und insbesondere im Bereich Leadership geht es um die Mensch-zu-Mensch-Beziehung. Das ist es, was KI noch fehlt: Daten und Algorithmen können einfach ‚noch‘ keine Emotionen.

Für KI-Skeptiker ist das Thema Leadership ein Kernthema, weil hier schnell eine Zwangslage geschaffen werden kann und zwar dann, wenn es beispielsweise eine Unternehmensvorgabe zur Effizienz gibt und die Mitarbeiter sich diesen Vorgaben unterordnen müssen. Wer hat am Ende den Hut auf? Die intelligente Technologie, die auf Basis empirischer Daten Entscheidungen trifft oder der Mensch? Das wird sich noch zeigen.“

"Wer hat am Ende den Hut auf? Die intelligente Technologie, die auf Basis empirischer Daten Entscheidungen trifft oder der Mensch?"

3. Welche Vorteile bietet KI im HR für Mitarbeiter?

„KI kann die Mitarbeiter beispielsweise in der Profilerkennung und -entwicklung sowie im Karrierecoaching unterstützen. Betrachtet man die Vorteile aus Sicht der persönlichen Ebene, kann KI dazu beitragen, versteckte Potentiale und Eigenschaften zu erkennen. Mitarbeiter können so optimal im Unternehmen eingesetzt, gefördert und gefordert werden. Denkbar ist z.B., dass Arbeitsergebnisse analysiert werden und KI daraus ableitend Empfehlungen gibt, Prozesse anders zu machen, den Mitarbeiter fortzubilden oder sogar woanders einzusetzen. Ein Beispielszenario könnte sein: Mitarbeiter A arbeitet an etwas und braucht Zeit X dafür. Wäre er besser und schneller, wenn er es anders machen würde? Hier kommt dann KI mit Änderungsvorschlägen ins Spiel.

Bei dem Einsatz von KI-Tools steht die Entlastung des Menschen an erster Stelle. So können Mitarbeiter im Alltag von Arbeitsschritten entlastet werden, die auch automatisiert ablaufen und nicht unbedingt menschliche Unterstützung benötigen. Das trägt wiederum zu einer effizienten und erfolgreichen Gestaltung des Arbeitsalltages bei.“

"Bei dem Einsatz von KI-Tools steht die Entlastung des Menschen an erster Stelle."

4. Wie passen KI und Recruiting zusammen?

„Die Art zu rekrutieren verändert sich rasant. Datengetriebene Distributionsmodelle, wie Programmatic Job Advertising oder automatisierte Active-Sourcing-Lösungen, nutzen KI um Recruiting-Erfolge sicherzustellen.

Wenn man sich Stellenanzeigen anschaut, bedeutet das unter anderem eine viel zielgerichtetere Ausspielung. Mittels Datenanalysen lässt sich herausfinden, wo man welche potentiellen Bewerber antrifft. Eine automatisierte Aussteuerung erhöht die Treffsicherheit und reduziert die Recruiting-Kosten, weil Streuverluste verringert werden.

Insgesamt ist der Recruiting-Markt sehr vielschichtig und unübersichtlich. Neue Plattformen kommen permanent hinzu – unter anderem Produkte wie Facebook Jobs oder Google for Jobs. Diese setzen selbst KI ein. Deshalb kommt man heute auch im Recruiting nicht mehr um das Thema KI herum. Hier versteckt sich ein unglaubliches Potential, das wir nutzen sollten. Für mich passen KI und Recruiting deshalb sehr gut zusammen. Das eine ergänzt das andere.“

5. Welche Risiken birgt KI in HR Analytics in Bezug auf bestehende Datenschutzrichtlinien?

„In der Datenschutz-Grundverordnung wird es so formuliert: „Risiken für die Rechte und Freiheiten einer natürlichen Person“. Was sich dahinter verbirgt? Dass eine Personalentscheidung nicht ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung erfolgen sollte. Künstliche Intelligenz versucht menschliche Entscheidungen nachzubilden und sollte in der Lage sein eigenständig Probleme zu bearbeiten. Wird KI im Recruiting zur Personalauswahl eingesetzt, sollte dies nur unterstützend mit Vorschlägen oder Empfehlungen sein. Die letztendliche Entscheidung muss der Mensch treffen.

"KI im Recruiting sollte nur unterstützend mit Vorschlägen oder Empfehlungen sein. Die letztendliche Entscheidung muss der Mensch treffen."

Natürlich stellt sich die Frage, wie weit das Unternehmen Daten von Mitarbeitern nach den derzeitigen Datenschutzbestimmungen erheben darf, um beispielsweise frühzeitig zu erkennen, wenn jemand das Unternehmen verlassen möchte. Die Thematik bleibt aber aktuell noch ungeklärt, ist aber ein interessantes Einsatzszenario für KI im HR-Bereich.“

6. Eignet sich People Analytics im HR-Bereich, um Employer Branding erfolgreich voranzutreiben?

„Auf den ersten Blick würde man People Analytics nicht für Employer Branding einsetzen, weil es sich dabei meist um klassisches Personalcontrolling handelt. Hier werden People Analytics unter anderem zum Vorhersagen von möglichen Kündigungen eingesetzt, was wiederum bei der zukünftigen Mitarbeiterauswahl berücksichtigt werden kann. Personalcontrolling beschäftigt sich also hauptsächlich mit den bestehenden Mitarbeitern, Employer Branding hingegen mit potentiellen Arbeitnehmern. Generell ist aber denkbar, dass z.B. Erkenntnisse wie die Vorhersagen von möglichen Kündigungen mittels People Analytics für eine verbesserte Zielgruppenansprache im Employer Branding einzusetzen.

"Erkenntnisse wie die Vorhersagen von möglichen Kündigungen mittels People Analytics könnte für eine verbesserte Zielgruppenansprache im Employer Branding einsetzbar sein."

Grundsätzlich werden aber auch hier die Grenzen für Unternehmen vor allen Dingen von Datenschutzbestimmungen festgelegt. Wenn sich People Analytics mit diesen vereinbaren lässt, dann ist aber durchaus daran zu denken.

So können unter anderem Erkenntnisse über die eigene Zielgruppe erlangt werden, mit Hilfe derer Employer-Branding-Maßnahmen gezielter eingesetzt und die Mitarbeiter mit den richtigen Botschaften abgeholt werden können. Hier ist es auch denkbar, dass Erkenntnisse direkt umgesetzt werden und das Unternehmen zum Beispiel dabei unterstützt, eine neue Arbeitgebermarke aufzubauen.“

Über den Marco Kainhuber

Marco Kainhuber ist geschäftsführender Gesellschafter der GermanPersonnel e-search GmbH. Er beschäftigt sich seit knapp zwei Jahrzehnten mit den Themen Talent Acquisition, Personalmarketing und Innovationen im HR – speziell für Personal- und Gebäudedienstleister sowie Unternehmen mit hohem Bewerberbedarf. Als Impulsgeber für Innovationen im Data Driven Recruiting treibt er die digitale Transformation des HR-Marktes mit seiner Expertise voran.