Taumelt Google for Jobs seinem Ende entgegen? Eine kritische Zwischenbilanz.

08.06.2020 | Stefan Scheller

Google for Jobs
Quelle: 123rf.com

Im Mai 2019 führte der Suchmaschinengigant seinen Service Google for Jobs auch in Deutschland ein. Die HR-Welt wartete darauf schon Monate vorher. Entsprechend hoch war die Erwartungshaltung. Nach 12 Monaten seit dem Launch ist es Zeit für eine Zwischenbilanz. Und diese fällt durchaus kritisch aus.

Hohe Erwartungen bei Markteintritt

Als Google in 2019 den blau umrandeten sogenannten „Linktipp-Container“ unterhalb der Anzeigen und oberhalb der organischen Ergebnisse einbaute, glaubten viele Personaler und Szene-Kenner, dass dadurch die Marktmacht der Stellenbörsen in Deutschland komplett gebrochen werde.

Die Idee war auch verlockend: Kostenlose Sichtbarkeit auf der ersten Seite bei Google mit den Stellenanzeigen auf der unternehmenseigenen Karriereseite erzielen. Ein Traum für Recruiting-Verantwortliche im Unternehmen.

Aber auch mit Blick auf die Jobsuchenden, die fortan nicht mehr in die schier unendlichen Weiten der großen Stellenbörsen und Jobsuchmaschinen geleitet wurden, sondern gleich innerhalb der Google-Suche passende Stellenanzeigen eingeblendet bekommen sollten, lag die Latte der Erwartungen hoch.

Nach einem Jahr Laufzeit ist vor allem Ernüchterung geblieben. Woran aber liegt das genau?

Den Nutzer aus den Augen verloren

Die Mehrzahl aller Jobsuchen startet bei Google. Und selbst große Stellenbörsen erhalten einen nicht unerheblichen Teil ihres Traffics über die Suchmaschine. So war es erst einmal nicht verwunderlich, wenn Google for Jobs quasi über Nacht zum Sichtbarkeit-Champion im Jobmarkt wurde. Folglich waren die Ausgangsvoraussetzungen für einen Erfolg extrem gut.

Umso mehr erstaunt der mangelnde Grad an handwerklich sauberer Umsetzung des Services.

Denn die gefundenen Stellenanzeigen scheinen in keiner Weise qualitätsgesichert zu werden. Doppelte und vielfach gleiche Stellenanzeigen aus unterschiedlichen Quellen werden direkt nebeneinander in den Ergebnissen ausgeliefert. Und auch den Texten der Jobausschreibungen selbst mangelt es an Formatierungen jeglicher Art; vielfach haben sie auch komplett vertauschte Textblöcke und teilweise sogar doppelten inhaltliche Passagen.

Dabei war der Ansatz zur Verwendung sogenannter „strukturierter Daten“ ursprünglich genau gegenteilig geplant: Als Chance auf sauber dargestellte und optimiert ausgelieferte Stellenanzeigen. Selbst wenn mir dazu keine repräsentativen Nutzerbefragungen vorliegen, wage ich zu behaupten, dass hierbei deutlich mehr Qualität möglich wäre. Warum aber ist Google das Nutzererlebnis an dieser Stelle keine zusätzliche Qualitätssicherung wert?

Unternehmen müssen sich den technischen Voraussetzungen von Google for Jobs unterwerfen

Jetzt könnte man natürlich argumentieren, dass sich Unternehmen bei der Aufbereitung der eigenen Anzeigen nach den Vorgaben von schema.org einfach an die vielfach im Netz verfügbaren Anleitungen halten müssen, um eine saubere Darstellung zu gewährleisten. Aber liegt es nicht auch im Interesse Googles selbst, dass möglichst viele Unternehmen auf den Zug aufspringen?

Jüngste Erhebungen der Universität Paderborn zusammen mit dem HR-Dienstleister Persomatch haben ergeben, dass ein Großteil der DAX30-Unternehmen nur mäßig Interesse gezeigt hat, die Vorgaben von Google zur Teilnahme an Google for Jobs zu erfüllen.

DAX30-Unternehmen: Entweder sahen sie keine gewichtigen Vorteile, dabei zu sein. Oder sie waren schlichtweg nicht in der Lage, die technischen Hürden zu überspringen.

Eine Allianz aus Marktbegleitern reichte eine Beschwerde bei der EU-Kommission ein

Ein weiterer Grund, warum Google möglicherweise nur sehr vorsichtig und kaum spürbar an Google for Jobs arbeitet, könnte die eingereichte Beschwerde bei der EU-Kommission sein. Denn eine Allianz aus 23 Stellenbörsen und Jobsuchmaschinen wirft dem Suchmaschinenriesen vor, seine marktbeherrschende Position mit Google for Jobs wettbewerbswidrig auszunutzen.

Die Argumentation ist nicht ganz abwegig. Auch trifft sie auf ein generell recht offenes Ohr, was behördliche Reglementierungsbestrebungen gegenüber den großen US-Digitalunternehmen angeht. Sicherlich ist das einer der Gründe, warum im oberen Bereich des Linktipp-Containers von Google for Jobs (noch) Verlinkungen zu den großen Playern im Markt enthalten sind.

Screenshot von Stellenanzeigen auf Google
Quelle: Google

Die Frage nach dem Geschäftsmodell hinter Google for Jobs

Spannend ist auch die Frage, welches Geschäftsmodell Google mit seinem Joblisting verfolgt.

Monetarisiert werden kann dieses Engagement zurzeit nicht. Denn in letzter Konsequenz erfolgt die tatsächliche Bewerbung über die Internetseite, von der aus die Stellenanzeige an Google for Jobs übergeben wurde. Im Beispiel auf dem Screenshot über den Button „Ansehen auf: Get In IT“ oder „Ansehen auf: Xing“.

Quelle: Google

So lange die Aufnahme in Google for Jobs selbst kostenfrei ist, scheint Google also kein gesteigertes finanzielles Interesse an seinem Dienst zu haben. Konsequenterweise hätten dann andere Aktivitäten und Projekte des Unternehmens Vorrang.

Auch die Einstellung von Googles Bewerbermanagementsystems Hire zum September 2020 ließ Spekulationen aufkeimen.

Das Zusammenspiel zwischen Google for Jobs und eigenem Softwaretool hätte prozessual einiges an Kraft entfalten können. War also die Information der Produkteinstellung bereits ein Vorbote für das nahende Ende von Google for Jobs?

Fazit zu der zukünftigen Entwicklung von Google for Jobs

Zu behaupten, Google for Jobs wäre bereits tot, wäre sicherlich unseriös und würde den Tatsachen nicht ganz gerecht. Denn auch bei anderen Services, zum Beispiel im Bereich Shopping, hatte Google vor der Monetarisierung erst einmal seinen Marktanteil sukzessive ausgebaut. Und selbst wenn mit dem Job-Service letztlich keine unmittelbaren Umsätze erzielt werden, so dient er dennoch der Stabilisierung des Kerngeschäfts von Google – dem Verkaufen von Werbeanzeigen.

Denn zu wissen, für welche Tätigkeiten und Stellen sich eine Person interessiert, bei welchen Unternehmen sie sich bewirbt und letztlich auch, was sie dabei (vermutlich) verdienen wird, sind wichtige Informationen. Immerhin lassen sich damit die Lebensumstände sowie die zukünftige Kaufkraft besser einschätzen. Im Anzeigengeschäft bedeutet das: Verbesserung des Targetings.

Ob Google for Jobs so viel Nutzer-Engagement erhält, um weiterhin ein qualitativ fragwürdiges Produkt auf Schmalspur weiterzuverfolgen, wird sich zeigen. Trotz allem kann ich Stand heute Unternehmen nicht guten Gewisssens davon abraten, sich mit Google for Jobs zu beschäftigen. Denn gerade bei kleinen und Kleinstunternehmen, bietet der Service die Möglichkeit einer kostenfreien Sichtbarkeit, die es sonst in dieser Wirksamkeit nicht gibt.

Auch auf die grundlegende Gefahr hin, dass dem Markt das allseitige Zuarbeiten auf ein komplettes Monopol von Google auch bei Stellenanzeigen irgendwann hart auf die Füße fallen könnte.

Über den Autoren

Foto von Stefan Scheller

Stefan Scheller verantwortet das Personalmarketing der DATEV eG. Daneben ist er Buchautor und bekannter Blogger. Er betreibt unter PERSOBLOGGER.DE ein HR-Portal für Praktiker mit Fachartikeln, Studien- und Infografiken zum kostenfreien Download, großem HR-Veranstaltungskalender und HR-Jobs.