Wie Persönlichkeitsbewertungen die Sicherheit am Arbeitsplatz verbessern | Teil 2

05.06.2019 | Zsolt Feher

Quelle: Europe Hogan Assessment Systems

Die besten und geeignetsten Mitarbeiter für ihr Unternehmen zu gewinnen, ist der Schlüssel zum Erfolg. Heutzutage bemühen sich die Unternehmen die Besten der Besten einzustellen und nehmen dabei größte Anstrengungen auf sich, wenn es um neue und spanndende Formen der Rekrutierung geht. Während eine starke Rekrutierungsstrategie für die meisten Unternehmen lediglich einen großen Vorteil bietet, ist sie für andere Unternehmen substanziell. Lesen Sie hier den zweiten Teil des spannenden Interviews!

 

— Fortsetzung —

 

2) Was sind die zu erwartenden Reaktionen von Personalabteilungen und Betriebsräten, wenn ein Sicherheits-Assessment in den Einstellungsprozess eingebaut werden soll? Wie werden diese Assessments in der Regel integriert?

Sicherheits-Assessments werden meistens in Form einer Vorauswahl angewendet, als eine von mehreren Kompetenzen, die in Betracht gezogen werden. Organisationen werden natürlich immer den Erfahrungen und der Fachkenntnis den Vorrang geben, besonders in technischen Bereichen, während Sicherheit eher als zusätzlicher Bereich gewertet wird. Wir arbeiten viel mit Energie- und Bergbau-Gesellschaften zusammen, wo die Sicherheit einen deutlich höheren Stellenwert einnimmt. Wir waren eine der ersten Beratungsfirmen, die dieses Assessment online bereitstellte. Aber wir verstehen natürlich, dass die Mitarbeiter vor Ort nicht automatisch einen globalen Zugriff auf Computer und iPads haben, und stellen das Assessment deswegen gleichzeitig auf die altmodische Art, mit Papier und Bleistift, zur Verfügung. Wir halten es nicht für empfehlenswert, Sicherheits-Assessment bei Managern oder Führungskräften anzuwenden, da es sich streng auf Individuen mit bestimmten Aufgaben konzentriert. Für andere Personen stehen weitere Berichte zur Verfügung, je nachdem, welchen Job unsere Kunden evaluieren möchten.

3) Welche sicherheitsbewussten Handlungsweisen können mit dem Sicherheits-Assessment gemessen werden und in welcher Form?

Wir konzentrieren uns hauptsächlich auf 6 verschiedene Komponenten/Kompetenzen:

  • Die Erste betrifft die Bereitschaft einer Person, Regeln zu befolgen. Mitarbeiter mit geringer Punktezahl („Lowscorer“) ignorieren die Regeln vielleicht eher, während hohe Punktezahlhalter („Highscorer“) diese Regeln anstandslos befolgen.
  • Die nächste Komponente behandelt den Umgang mit Stress. Lowscorer sind anfällig für Stress, diese Mitarbeiter geraten unter Druck leicht in Panik und machen Fehler. Highscorer bleiben in der Regel konstant.
  • Der dritte Bereich betrifft die Aggressionsbewältigung: Lowscorer verlieren eventuell leichter die Beherrschung und machen Fehler. Highscorer wissen sich dagegen zu beherrschen.
  • Die nächste Komponente handelt von der Konzentrationsfähigkeit. Lowscorer sind leichter abgelenkt und machen daher vielleicht eher Fehler. Highscorer bleiben hingegen länger konzentrationsfähig.
  • Dann bedenken wir auch noch die Risikobereitschaft. Lowscorer neigen dazu, unnötige Risiken einzugehen. Highscorer vermeiden dagegen riskante Handlungen.
  • Die sechste und letzte Komponente betrifft die Ausbildungsfähigkeit. Lowscorer neigen dazu, Training und Feedbacks zu ignorieren. Highscorer dagegen passen im Training gut auf.

All diese Bereiche sind getrennt voneinander wichtig, aber natürlich auch in Kombination. Man könnte annehmen, dass ein Fragebogen gebraucht wird, der die Person direkt über seine/ihre sicherheitstechnischen Einstellungen befragt. Aber das stimmt nicht – und deswegen ist es auch so schwierig, das Ergebnis des Assessments zu manipulieren. Wir benutzen einen Fragebogen, der sich auf Kompetenzen, Stärken und Schwächen konzentriert, auch HPI (Hogan Personality Inventory) genannt, der alle wichtigen Persönlichkeitsmerkmale erwägt und nur jene in Betracht zieht, die einen der Sicherheit eher zugeneigten Menschen von einem der Sicherheit eher abgeneigten Menschen unterscheiden. Gegenstände wie z. B. „Wissen Sie, warum die Sterne funkeln – Ja/Nein?“ sind schwer zu beantworten, wenn jemand das Ergebnis beeinflussen will. Es ist also besser, einfach wahrheitsgemäß zu antworten.

4) Haben Unternehmen, die dieses Sicherheits-Assessment aufgenommen und ausgeführt haben, eine erhebliche oder zumindest spürbare Tendenz beim sicherheitsbewussten Verhalten ihrer Mitarbeiter bemerkt?

Persönlichkeitsbewertung und Persönlichkeitsmerkmale

Es ist schwierig, seine Persönlichkeit zu ändern. Deswegen kommen 80 % aller Neujahrsvorsätze nie zustande. Echter Wandel ist sehr schwierig und erfordert viel Aufwand und Konzentration. Wir schlagen deshalb vor, dieses Assessment gleich bei der Vorauswahl anzuwenden, um vermeiden zu können, Personen mit nachweislich hohen Sicherheitsrisiken einzustellen. Wenn es im Betrieb als Entwicklungstool eingesetzt wird, kann es genau erkennen, wo mehr Aufmerksamkeit auf individueller Basis angewandt werden muss. Z. B. „Was sind die Schwächen eines Kollegen?“ Am Anfang muss der Mitarbeiter lernen, sich selbst zu verstehen, dafür müssen wir ehrliches Feedback geben. Wenn sie dann einmal verstehen, warum sie in Gefahr sind (einige Punkte sind schwieriger zu verstehen als andere), dann kann das Unternehmen mit einem Entwicklungsprogramm oder mit einem individuellem Sicherheits-Coaching beginnen. Es gibt dem Unternehmen auch Gelegenheit, bestimmte Gruppen umzugestalten: d.h. sicherheitsbewusste Personen mit sicherheitsabgeneigten Personen zusammenzubringen. Personen mit hohem Sicherheitsbewusstsein helfen in der Regel den anderen Teammitgliedern, ihr Bewusstsein zu schärfen, insbesondere wenn sie sich selber als lernfähig erwiesen haben.
Die Ergebnisse sind leicht wahrnehmbar und lassen sich einfach quantifizieren: Bevor wir unser Programm installieren, beobachten wir Verletzungen am Arbeitsplatz oder Schlimmeres. Nach dem Screening der Mitarbeiter durch unseren Bewertungsprozess konnten wir hervorragende Ergebnisse mit geringeren Verletzungsraten und weniger tödlichen Unfällen verzeichnen. In der Gesamtsumme sparen europäische Unternehmen ca. 64 Millionen an Betriebskosten und knapp 1.700 Produktionstage durch weniger verursachte Unfälle.

5) Was sind die häufigsten Reaktionen oder Feedbacks von Arbeitnehmern, die das Sicherheits-Assessment mitgemacht haben? (Akzeptieren sie es z. B. eher oder lehnen sie es ab?)

Das ist mein Lieblingsteil in diesem Programm. Normalerweise, wenn wir Feedback geben (besonders nachdem sie überhaupt nicht verstehen, was die gestellten Fragen mit Sicherheit zu tun haben), hören wir oft als Erstes: „Wer hat Ihnen das über mich gesagt?“. Ein gewisses Maß an Angst oder Widerstand gegen diese „merkwürdige“ Situation besteht jedes Mal, bevor das Feedback geben beginnt. Aber sobald wir unsere Einsichten teilen, öffnen sich doch fast alle Teilnehmer relativ schnell. Sie finden unsere Beobachtungen faszinierend und sind erstaunt, wie zutreffend unser Bericht sein kann. Wenn sie erst einmal einsehen, dass das Ergebnis zu ihnen passt, können wir auswerten, was sich in dieser Hinsicht ändern sollte, was dann in der Regel auch sehr gut ankommt.

6) Gibt es irgendwelche Nachteile bei Sicherheits-Assessments?

Ich würde sagen, „Nein, auf keinen Fall“. Der Prozess wird ein gewisses Maß an internem „Marketing“ benötigen, besonders dann, wenn das Unternehmen in diesem Zusammenhang mit Gewerkschaften verhandeln muss. In Entwicklungssituationen geht es nicht darum, die Lowscorer loszuwerden, sondern darum, ihr Sicherheitsbewusstsein aufzubauen, mit dem Bonus, dass sie weniger Verletzungen davontragen, was ja eigentlich im Interesse aller Beteiligten liegen sollte.

7) Welche kulturspezifischen Unterschiede sind bei der Umsetzung und Durchführung eines Sicherheits-Assessments zu berücksichtigen?

Wir benutzen auf der ganzen Welt die gleichen Kompetenzen. Darüber hinaus sind unsere Normen in diesem Fall auf eine Weltbevölkerung ausgerichtet. Die meisten unserer Berichte können auf verschiedene Weisen normalisiert werden: Wenn ein Unternehmen den Fragebogen beispielsweise auf polnisch ausfüllen und den Bericht auf kanadisch-französisch erhalten möchte, dann können wir dies problemlos so liefern, da in unserem System fast 60 Sprachen angeboten werden.

8) Werden in den kommenden Jahren mehr und mehr Unternehmen dieses Sicherheits-Assessment einsetzen?

Vor zwanzig Jahren, als wir begannen, größere Projekte zu realisieren, war die Sicherheit einer der gängigsten Bereiche für dieses Assessment. Unser Unternehmen ist seitdem organisch sehr gewachsen, wie auch die Verwendung dieser Berichte.

Über den Autoren

Zsolt Feher, Managing Director, Europe Hogan Assessment Systems

Mit 15 Jahren Erfahrung in der Beratungsbranche hat Zsolt zahlreiche Workshops zu den Themen Führung, Personalentwicklung, Unternehmens- und Projekt­management durchgeführt.